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RE: Herbstblätter

#16 von scrabblix , 26.09.2016 21:32

Vor einem Winter

Ich mach ein Lied aus Stille
und aus Septemberlicht.
Das Schweigen einer Grille
geht ein in mein Gedicht.

Der See und die Libelle.
Das Vogelbeerenrot.
Die Arbeit einer Quelle.
Der Herbstgeruch von Brot.

Der Bäume Tod und Träne.
Der schwarze Rabenschrei.
Der Orgelflug der Schwäne.
Was es auch immer sei,

Das über uns die Räume
Aufreißt und riesig macht
Und fällt in unsre Träume
in einer finstren Nacht.

Ich mach ein Lied aus Stille.
Ich mach ein Lied aus Licht.
So geh ich in den Winter.
Und so vergeh ich nicht.

Eva Strittmatter


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RE: Herbstblätter

#17 von Sirius , 27.09.2016 00:10

Karl Wolfskehl

Herbst

Die nebel eilen
Auf breiten strassen
Zum singen des wassers
Die nebel eilen.

Blaudunstig und leise
Entfliehen die tage
Mit weichem geflüster
Blaudunstig und leise.

Am ufer verschwiegen
Schlummern die barken
Der fahrten müde
Am ufer verschwiegen.

Der dich dürfte lenken
Du boot meiner träume
Du harrest des starken
Der dürfte dich lenken!

O, wär ich der ferge
Zum eden zum eiland
Im heiligen lenze
O, wär ich der ferge.

(Anm. von Sirius: „ferge“ ist Fährmann)


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RE: Herbstblätter

#18 von scrabblix , 27.09.2016 20:53

Der schöne 27. September

Ich habe keine Zeitung gelesen.
Ich habe keiner Frau nachgesehn.
Ich habe den Briefkasten nicht geöffnet.
Ich habe keinem einen guten Tag gewünscht.
Ich habe nicht in den Spiegel gesehn.
Ich habe mit keinem über alte Zeiten gesprochen

    und mit keinem über neue Zeiten.

Ich habe nicht über mich nachgedacht.
Ich habe keine Zeile geschrieben.
Ich habe keinen Stein ins Rollen gebracht.

Thomas Brasch


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RE: Herbstblätter

#19 von Jonny , 27.09.2016 20:53

September - Morgen

Im Nebel ruhet noch die Welt,
Noch träumen Wald und Wiesen:
Bald siehst du, wenn der Schleier fällt,
Den blauen Himmel unverstellt,
Herbstkräftig die gedämpfte Welt
Im warmen Golde fließen.

Eduard Mörike

 
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RE: Herbstblätter

#20 von Sirius , 28.09.2016 00:23

Frühherbst

Die Stirn bekränzt mit roten Berberitzen
steht nun der Herbst am Stoppelfeld,
in klarer Luft die weißen Fäden blitzen,
in Gold und Purpur glüht die Welt.

Ich seh hinaus und hör den Herbstwind sausen,
vor meinem Fenster nickt der wilde Wein,
von fernen Ostseewellen kommt ein Brausen
und singt die letzten Rosen ein.

Ein reifer roter Apfel fällt zur Erde,
ein später Falter sich darüber wiegt —
ich fühle, wie ich still und ruhig werde,
und dieses Jahres Gram verfliegt.

Agnes Miegel


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RE: Herbstblätter

#21 von Frollein a. , 28.09.2016 06:47

Es knospt
unter den Blättern.
Das nennen sie Herbst.
(Hilde Domin)

 
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RE: Herbstblätter

#22 von scrabblix , 28.09.2016 22:36

Welkes Blatt

Jede Blüte will zur Frucht,
Jeder Morgen Abend werden,
Ewiges ist nicht auf Erden
Als der Wandel, als die Flucht.

Auch der schönste Sommer will
Einmal Herbst und Welke spüren.
Halte, Blatt, geduldig still,
Wenn der Wind dich will entführen.

Spiel dein Spiel und wehr dich nicht,
Laß es still geschehen.
Laß vom Winde, der dich bricht,
Dich nach Hause wehen.

Herrmann Hesse


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RE: Herbstblätter

#23 von scrabblix , 28.09.2016 22:43

Goldener Morgen

Natur mit Schönheit reich gesegnet
im finalen Farbenrausch
hält - ehe sie dem Frost begegnet
mit dem Sommer einen Plausch

Nebel die sich langsam lichten
sonnig funkelt Taukristall
Schritte sich gen Schule richten
Vögel senden ihren Schall

sind nicht geneigt jetzt zu verreisen
entschlossen sich zu bleiben
wenn Tropfen drohen zu vereisen
blumig auf Fensterscheiben.

scrabblix


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RE: Herbstblätter

#24 von scrabblix , 29.09.2016 21:37

Herbst auf der ganzen Linie

Nun gibt der Herbst dem Wind die Sporen.
Die bunten Laubgardinen wehn.
Die Straßen ähneln Korridoren,
In denen Türen offen stehn.

Das Jahr vergeht in Monatsraten.
Es ist schon wieder fast vorbei.
Und was man tut, sind selten Taten.
Das, was man tut, ist Tuerei.

Es ist, als ob die Sonne scheine,
Sie lässt uns kalt. Sie scheint zum Schein.
Man nimmt den Magen an die Leine.
Er knurrt und will gefüttert sein.

Das Laub verschießt, wird immer gelber,
Nimmt Abschied vom Geäst und sinkt.
Die Erde dreht sich um sich selber.
Man merkt es deutlich, wenn man trinkt.

Wird man denn wirklich nur geboren,
Um, wie die Jahre, zu vergehn?
Die Straßen ähneln Korridoren,
In denen Türen offen stehn.

Die Stunden machen ihre Runde.
Wir folgen ihnen Schritt für Schritt
Und gehen langsam vor die Hunde.
Man führt uns hin! Wir laufen mit.

Man grüßt die Welt mit kalten Mienen.
Das Lächeln ist nicht ernst gemeint.
Es wehen bunte Laubgardinen.
Nun regnet's gar. Der Himmel weint.

Man ist allein und wird es bleiben.
Ruth ist verreist, und der Verkehr
Beschränkt sich bloß aufs Briefeschreiben.
Die Liebe ist schon lange her!

Das Spiel ist ganz und gar verloren.
Und dennoch wird es weitergehn.
Die Straßen ähneln Korridoren,
In denen Türen offen stehn ...

Erich Kästner


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RE: Herbstblätter

#25 von scrabblix , 02.10.2016 13:31

Oktober

Fröstelnd geht die Zeit spazieren.
Was vorüber schien, beginnt.
Chrysanthemen blühn und frieren.
Fröstelnd geht die Zeit spazieren.
Und du folgst ihr wie ein Kind.

Geh nur weiter, bleib nicht stehen.
Kehr nicht um, als sei's zuviel.
Bis ans Ende musst du gehen,
hadre nicht in den Alleen.
Ist der Weg denn schuld am Ziel?

Geh nicht wie mit fremden Füßen
und als hättst du dich verirrt.
Willst du nicht die Rosen grüßen?
Laß den Herbst nicht dafür büßen,
dass es Winter werden wird.

Auf den Wegen, in den Wiesen
leuchten, wie auf grünen Fliesen,
Bäume bunt und blumenschön.
Sind's Buketts für sanfte Riesen?
Geh nur weiter, bleib nicht stehn.

Blätter tanzen sterbensheiter
ihre letzten Menuetts.
Folge folgsam dem Begleiter.
Bleib nicht stehen. Geh nur weiter,
denn das Jahr ist dein Gesetz.

Nebel zaubern in der Lichtung
eine Welt des Ungefährs.
Raum wird Traum. Und Rausch wird Dichtung.
Folg der Zeit. Sie weiß die Richtung.
"Stirb und werde!" nannte er's.

Erich Kästner


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RE: Herbstblätter

#26 von hilfsmueller , 02.10.2016 19:56

Ich muss mich noch daran gewöhnen, dass Du hier "Lotte" heißt, Lotte -
an Deine "Erntezeit" gewöhnte ich mich umgehend.

Verstanden aber habe ich diese vollends noch nicht.
Der von Dir gewebte überaus schöne Vorhang weht stets vor meinem klaren Blick.

 
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RE: Herbstblätter

#27 von scrabblix , 04.10.2016 21:34

Wie mich deine Zeilen freuen, hilfsmüller!
Ich hoffe, der Vorhang lichtet sich noch.


Astern

Astern - schwälende Tage,
alte Beschwörung, Bann,
die Götter halten die Waage
eine zögernde Stunde an.

Noch einmal die goldenen Herden,
der Himmel, das Licht, der Flor,
was brütet das alte Werden
unter den sterbenden Flügeln vor?

Noch einmal das Ersehnte,
den Rausch, der Rosen Du -
der Sommer stand und lehnte
und sah den Schwalben zu,

noch einmal ein Vermuten,
wo längst Gewißheit wacht:
Die Schwalben streifen die Fluten
Und trinken Fahrt und Nacht.

Gottfried Benn


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RE: Herbstblätter

#28 von Seeräuber-Jenny , 05.10.2016 20:35

Humboldthain im Herbst

Die Bäume tragen Festtagsstaat,
der Wind zerzaust die goldnen Kronen.
Ich möchte in den Wipfeln wohnen,
wo's Eichhorn seine Bleibe hat.

Am Bunker balanciert ein Mann
auf einem Seil über den Himmel,
am Aussichtsturm herrscht viel Gewimmel
und alle feuern ihn laut an.

Auf einer Lichtung lässt ein Kind
den selbstgebauten Drachen steigen,
der kann uns Pirouetten zeigen
bei seinem wilden Tanz im Wind.

Der Rosengarten ist schon zu,
es leuchtet purpurn durch die Gitter.
In diesen Tagen naht kein Ritter,
Dornröschen hat nun seine Ruh.

Ich schlurfe durch das bunte Laub,
es raschelt unter meinen Füßen.
Ich will noch rasch die Toten grüßen,
die Urnen, angefüllt mit Staub.


Die Leute sagen immer:
Die Zeiten werden schlimmer.
Die Zeiten bleiben immer.
Die Leute werden schlimmer.

Joachim Ringelnatz

 
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RE: Herbstblätter

#29 von scrabblix , 05.10.2016 20:38

Das gefällt und zwar ausgesprochen gut, Jenny!

Da schlurfe ich doch gleich mit durch das Laub.

Liebe Lottegrüße


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RE: Herbstblätter

#30 von Seeräuber-Jenny , 05.10.2016 20:48

Herzlich willkommen! Der Humboldthain ist nicht weit von hier, im Wedding.

Habe noch eins, obwohl der September nun schon vorbei ist.

Humboldthain

Heller Septembersonnenschein
leuchtet vergnügt zum Fenster rein.
Uns hält nichts in der Stube, nein -
komm schnell, wir gehn zum Humboldthain!

Im Rosengarten süßer Duft,
die Mücken tanzen in der Luft,
ein Kindchen nach der Mama ruft,
Ärger und Frust sind schnell verpufft.

Ein Eichhörnchen flitzt auf den Baum.
Die Elster schimpft, man glaubt es kaum.
Der Dichter dichtet wie im Traum,
ist ganz entrückt von Zeit und Raum.

Am Bunker Klettermaxe übt,
im Schatten Paul die Paula liebt,
Julia dem Romeo vergibt -
und alle sind ganz heiß verliebt.

Am Grill die Hammelkeule schmort.
Die Jogger treiben tüchtig Sport.
Und nie hört man ein böses Wort -
dies ist ein wundervoller Ort!

Der Tag neigt sich dem Ende zu,
nun ist es Zeit für Rast und Ruh.
Zur Panke tragen mich die Schuh,
denn da, mein lieber Tom, wohnst du!


Die Leute sagen immer:
Die Zeiten werden schlimmer.
Die Zeiten bleiben immer.
Die Leute werden schlimmer.

Joachim Ringelnatz

 
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