Wenn Götter mies drauf kommen, verdunkelt sich der Himmel. Am Firmament flackern bedeutungsvolle Zeichen, Propheten haben Hochkonjunktur und böse Omen ziehen ihre Runden. Der Mensch scharrt sich ums Feuer und sucht Trost bei den Anderen.
So jedenfalls war es früher. Heute gehen die Menschen viel gelassener mit ihren Göttern um, um nicht zu sagen: Ignorativ! Bedeutungsvolle Zeichen entpuppen sich bei näherem Hinsehen als Nordlichter, Propheten werden ausgelacht, das Internet und jede Icks-beliebige Zeitung ersetzen alle böse Omen und der Heizungskeller ist auch kein tröstend Ort, sich gegenseitig an einander zu kuscheln.
Die Götter langweilten sich. Wer will schon, als Stier verkleidet, in einem Mastbetrieb enden? Oder kleine Kriege zwischen Athen und Izmir anzetteln, angesichts der Effizienz einer Wasserstoffbombe?
Wenn Götter mies drauf kommen und sich dabei auch noch langweilen, benehmen sie sich nicht anders als die meisten Menschen. Sie lassen die Sau raus und nerven. So auch hier:
„Ich bringe Kunde aus der Welt der Sterblichen. Ein König hat in der Nase gebohrt, ein doppelköpfiges Schaf wurde geklont, ein Athlet zum Landlord gekürt…“
„Schnauze Hermes.“ Jupiter machte sich nicht die Mühe, seine Stimme zu erheben. Er befreite sich aus der Umarmung von Bacchus, einem Einwanderer, der in völliger Verkennung der Umstände etwas von Dionysos und Zeus schwafelte. „Und du auch.“
Jupiter stand nicht einfach auf, als Göttersilberrücken steht man einfach nicht einfach auf, schließlich geht es auch um den guten Ruf: Er entfaltete sich vielmehr in Zeitlupe; man erwartete fast, kleine Vulkane epaulettig auf seinen Schultern ausbrechen zu sehen. Der Olymp grollte auf angemessene Weise.
Hier einige Worte zu dem Aufenthaltsort der ganzen Götterbagage: Die Halle, in welcher diese Versammlung stattfand, war durchaus fähig einen guten Eindruck von der Unendlichkeit zu vermitteln. Sie verlor sich auf der einen Seite, fand den Anfang dort, wo vernünftige Leute das Ende vermuten und kam dann von der anderen Seite. Und natürlich war sie gar nicht unendlich, dieses Attribut steht nur der Zahlenwelt, dem Universum und der Dummheit zu, aber sie wirkte unendlich. Die wahre Unendlichkeit hingegen sieht ziemlich langweilig aus, außer für Astronomen und Mathematiker, ähnelt einer umgekippten 8 und kann in jedem besseren Planetarium simuliert werden. Die dumme Dummheit sieht man überhaupt nicht und ist noch langweiliger.
Das Interieur der Götterhalle war wie aus einem alten Goldwyn-Mayer Filme mit Elisabeth Taylor als Kleopatra geklaut. Fast die gesamte Götterschaft hatte sich zum Gelage eingefunden: Jupiter, Neptun, Mars, Apollo, Diana, Vulcanus, Merkur…, selbst Pluto hatte sich von seinem Spitzenmanagerjob im Hades freigeschaufelt…, Ceres, Vesta, Bacchus, der sich später nicht erinnern wird, Hunderte der geringeren Götter am Katzentisch, geisternde Geisterwesen und etliche Nymphen, wahrlich viel erfreulicher anzusehen als die Unendlichkeit, Puten, zweiköpfige Hunde…
Und natürlich Wein! Viel Wein. Nur so sind die folgenden Ereignisse zu erklären.
„Bei Jupiter, also bei mir, ich langweile mich und bin mies drauf!“
„Hört hört! Fürwahr, so spricht eine wahre Entität in all ihrer Pracht und Herrlichkeit.“ Kam dieser Zwischenruf von Diana, der Göttin mit dem ungebrochenen Hymnen, was viele ihrer Wesenszüge erklären würde, oder von Mars, der Kämpfernatur mit mehr Killerinstinkt als ein Börsenmakler? Jupiter ging nicht näher drauf ein:
„Also, seitdem ich existiere, ist mir der Mensch ein Rätsel. Er ist zu mehr göttlicher Größe fähig, als die meisten von euch. Wahre Liebe, Großmut und Hingabe befinden sich in ihm, und gleichzeitig ist er zu grausamen, egoistischen und zerstörerischen Taten fähig, einfach unglaublich. Da kann selbst Mars nicht mehr mithalten. Der Mensch schafft Schönheiten, die einen zu Tränen rühren. Und daneben schafft er gleichzeitig Hässliches, bis man schon wieder heulen könnte.“
„Sterbliche halt!“ Pluto ließ sich hinreißen.
„Nein. Nicht nur. Sie sind auch ihre Taten und die sterben nie. Das, glaube ich, ist ihr Geheimnis. Sie leben in einer vagen, instabilen und endlichen Existenz, tragen aber Wissen um die Unendlichkeit in sich. Das bringt sie manchmal durcheinander und mich auch, denn ich bin unsterblich. Darum werde ich meine Göttermacht benutzen um mich in einen Menschen zu verwandeln. Ich werde mit Hilfe eines Vergissmichbloss Trankes die Erinnerung an meine göttliche Existenz löschen und als Sterblicher genau 100 Jahre leben, falls mir kein vorzeitiges Ableben per Unfall passiert, komplett mit Allem: Geburt, Krankheiten, 110 IQ, Schicksal, Erfolge, Niederlagen, Begräbnis…
Und wenn ich als Mensch gestorben bin, werde ich um das Geheimnis der Menschen wissen. Ah ja, und noch was: Ihr werdet mich alle begleiten.“
Und so sollte es geschehen. Jupiter hatte allerdings eine Kleinigkeit übersehen: Da der Mensch eine Ahnung von Göttlichkeit schon mit sich rumschleppt, schwappte ein wenig von der göttlichen Herkunft bei ihrer menschlicher Inkarnation auch mit rüber. Anders formuliert: Mars wurde zum Waffenhändler, Neptun Bademeister, Apollo Toy-boy, Diana Naturschützerin; die Dispositionen ließen sich einfach nicht weg leugnen.
Jupiter selber? Nun, der sitzt immer noch im Himalaja und staunt…
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Beim Zeus, das war nicht schlecht fabuliert! Und endlich weiß ich auch, wie Unendlichkeit aussieht, unendlich doof, nichts für mich.
Und mit Hermes, dem DHL-Boten, hab ich heute noch gesprochen, dem war auch Unendlichkeit zu viel, dem reichte sein endliches Leben schon.
Danke für diesen sehr unterhaltsamen Götterplausch, guter klsa!
Sirius
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