Dorothee Elmigers wetterleuchtendes Erzählgeflecht
Mit ihrem verästelten Prosawerk "Aus der Zuckerfabrik" lädt die Schweizer Schriftstellerin zu herausfordernden Lektüre-Wegen und -Umwegen ein.
Schuld an diesem Buch ist Annette. Denn sie war es, die bei einem Abendessen mit der Autorin erzählte, sie habe den Roman eines australischen Schriftstellers gelesen, "in dem eine lange Reihe von plötzlich aufscheinenden Bildern beschrieben werde, Bilder, die sich gegenseitig hervorriefen, also in einer zumindest losen Verbindung stünden und so eine Art Pfad bildeten, einen leuchtenden Pfad, der durch die Dinge hindurchführe".
Das beschreibt ziemlich genau Dorothee Elmigers drittes Prosawerk, das anders als die beiden Vorgänger aber gerade kein Roman sein will (der Lektor, so erfährt man, wollte es unbedingt als solchen titulieren), sondern ganz ohne Gattungsbezeichnung auskommt. Im Text spricht die 1985 in Zürich geborene und dort lebende Autorin von einem "essai", einer "versuchsweisen Anordnung der Dinge", in der es "keine feststehende Ordnung" gebe. Einen Pfad hindurch zu finden - von "leuchtend" gar nicht zu reden -, ist nicht so einfach, aber das ist auch nicht die Absicht dieses ambitionierten Buches.
"Recherchebericht" wollte Elmiger "Aus der Zuckerfabrik" ursprünglich nennen, und wie ein Zettelkasten wirkt das Buch denn auch. Es enthält die verschiedensten Textsorten: tagebuchartige Eintragungen, Lesefrüchte in Gestalt von Zitaten, fiktive Dialoge, Ansätze zu Erzählungen, historische Ausführungen, theoretische Überlegungen, Poetologisches. Wobei dieses Material von Elmiger sehr kunstvoll ausformuliert und arrangiert ist.
Eine Art "Knoten" dieses Gebildes bilden mehrere Themenkomplexe, die immer wieder auftauchen. So etwa die Geschichte des Schweizer Lottokönigs Werner Bruni, der als einfacher Arbeiter plötzlich zum Millionär wurde und sechs Jahre später Privatkonkurs anmelden musste (und auch noch seine Frau los war). Eine Ur-Szene dieses Buches ist dabei die Versteigerung von Brunis Besitztümern, bei der auch zwei Frauenfiguren unter den Hammer kommen, die Bruni vermutlich auf einer Reise in die Karibik erworben hat. Hier gerät das Erzählgewebe gehörig in Schwingung, es greift aus zu den Zuckerplantagen auf Haiti, zum Freiheitskämpfer Toussaint Louverture und zu dem, was diesen mit Heinrich von Kleist und dessen Erzählung "Die Verlobung in St. Domingo" verbindet.
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https://www.wienerzeitung.at/nachrichten...hlgeflecht.html
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