Das Frau gewordene Walross Hanna fragt mich: „Sag mal Sirius, wärst du nicht manchmal auch gerne eine Frau?“
„Nein. Und du?“
Zack! Der mühsam aufgebaute Sympathiekasten ist wieder zerdeppert. Meine Schlagfertigkeit bringt mich dauernd in Schwierigkeiten. Vielleicht offenbart sich darin die Aversion gegen das Heutige, mein Ausdruck der Verachtung gegenüber der Zeit, in der wir leben.
Tiefenpsychologisch gesehen muss ich mal auf die Couch.
Ich kann es aber auch so erzählen:
Nach Lehre und Bundeswehr war ich schon bedient. Fünf Jahre für nichts, immer am Minimum, während andere schon in ihrem gespoilten BMW herumfuhren. Aber dafür gelebt in Freundschaften und in der Stachelschrift „pardon“, für die ich schreiben durfte. Immer gehen die Dinge kaputt, die man liebt.
Die Zeit der brennenden Herzen, politische Bewegungen, Groll auf die Obrigkeit, und im roten Wein Hannes Wader, Insterburg, Ulrich Roski, Degenhart und Co. getrunken.
In urigen Kneipen am Klavier geweint und Diskussionen ausgefochten, so jung, so stark, so euphorisch. Und Frauen in kurzen Haaren fochten noch während des Vorspiels ihren beginnenden Krieg gegen die BLÖK-Zeitung. Seufz. Emanzipation mit dem STERN und Kollo auf dem Vormarsch, Solidarität mit den Studenten, und auf jeden Acker ein abgestürzter Starfighter – aber irgendwo war da ein gesellschaftliches Niveau vorhanden, in der Kultur, im Witz, in der Musik.
Bis die „Neue Deutsche Welle“ kam. Witzig und einfältig, skurril und schrill und den Wandel im Gepäck. Lärmend schossen manche pubertierende Gören auf die Bühnen, und die Liedermacher flohen mit ihren mahnenden Texten ins Asyl.
Manche habe ich später wiedergefunden, auf St. Pauli oder in den Heurigenkneipen in Wien, rastlos auf der Suche, die einem nicht sagt, wonach man sucht.
„Na, Lotte“- Stefan Sulke, „I liag am Ruckn” – Ludwig Hirsch, Reinhard Mey, Achim Reichelt oder Wolfgang Ambros, aber schon intellektuell voneinander distanziert, verzweifelt singend gegen die kommende Agonie. Und eine Heimat bei „KOWALSKI“ gefunden. Aber auch diese Spottschrift hielt sich nicht. Ebenso wenig wie „Der Mann aus Russland“- Sulke oder der unvermeidliche Apfelkorn.
Dann wurden sie alt. Die Polts und Hildebrandt und Schneiders und viele, viele andere. Und aus den Nestern der Kultur sprangen die „Comedians“, kalauernde, Grimasse schneidende Freaks, die mit F-Wörtern schamlosen Applaus forderten. Weder Komiker noch Kabarettisten, weder Clowns noch Narren. Nicht mal das. Keine Buster Keatons, keine Erhardts oder Loriots, Fix und Foxis statt MAD.
Man gewöhnt sich an alles, auch an Dumpfsinn, aber man ist nicht glücklich. Und so reicht man den alten Kumpels noch einmal die Hand für den Weg ins Alleinsein oder den Sprung aus dem Fenster. Von allen vermisse ich den Ludwig am meisten.
Und manchmal schaue ich einen Film, ganz bewusst, ohne nebenbei zu rätseln oder zu lesen.
Dann sehe ich mich in den Kulissen, wie fort gesogen von der Welt, und ich gebe mich der Freude oder Trauer und Wehmut hin, gebe ein Gefühl für eine zeitlich bedingte Unwirklichkeit.
Und dann reißt es mich wieder raus, denn es gibt keine Abspanne mehr, nur dröhnende Werbung und Sport und Nachrichten mit Merkel und Euro und den sensiblen Märkten – alles ohne Vorwarnung ins Wohnzimmer geschrien und macht mir meine Melancholie kaputt, zwingt mich in die I-Phone, I-Pad und Tablet-Welt zurück, zu sprachlosen Marktschreiern einer bigotten Welt, hinter die ich nicht schauen mag…
Reset the World!
Beiträge: | 27.036 |
Registriert am: | 02.11.2015 |
Wie gut ich dich verstehen kann...
Lieben Gruß
scrabblix
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
Beiträge: | 6.269 |
Registriert am: | 05.11.2015 |
Ein eigenes Forum erstellen |