Weils so schön ist, noch ein Buchgedicht
Der Bücherfreund
Ob ich Biblio- was bin?
Phile? „Freund von Büchern“ meinen Sie?
Na, und ob ich das bin!
Ha! und wie!
Mir sind Bücher, was den anderen Leuten
Weiber, Tanz, Gesellschaft, Kartenspiel,
Turnsport, Wein und weiß ich was, bedeuten.
Meine Bücher — wie beliebt? Wieviel?
Was, zum Henker, kümmert mich die Zahl.
Bitte, doch mich auszureden lassen.
Jedenfalls: viel mehr, als mein Regal
Halb imstande ist zu fassen.
Unterhaltung? Ja, bei Gott, das geben
Sie mir reichlich. Morgens zwölfmal nur
Nüchtern zwanzig Brockhausbände heben —
Hei ! das gibt den Muskeln die Latur.
Oh, ich mußte meine Bücherei,
Wenn ich je verreiste, stets vermissen.
Ob ein Stuhl zu hoch, zu niedrig sei,
Sechzig Bücher sind wie sechzig Kissen.
Ja natürlich auch vom künstlerischen
Standpunkt. Denn ich weiß die Rücken
So nach Gold und Lederton zu mischen,
Daß sie wie ein Bild die Stube schmücken.
Äußerlich? Mein Bester, Sie vergessen
Meine ungeheure Leidenschaft,
Pflanzen fürs Herbarium zu pressen.
Bücher lasten, Bücher haben Kraft.
Junger Freund, Sie sind recht unerfahren,
Und Sie fragen etwas reichlich frei.
Auch bei andern Menschen als Barbaren
Gehen schließlich Bücher mal entzwei.
Wie ? – ich jemals auch in Büchern lese??
Oh, sie unerhörter Ese—
Nein, pardon! – Doch positus, ich säße
Auf dem Lokus und Sie harrten
Draußen meiner Rückkehr, ach dann nur
Ja nicht länger auf mich warten.
Denn der Lokus ist bei mir ein Garten,
Den man abseits ohne Zeit und Uhr
Düngt und erntet dann Literatur.
Bücher – Nein, ich bitte Sie inständig:
Nicht mehr fragen! Laß dich doch belehren!
Bücher, auch wenn sie nicht eigenhändig
Handsigniert sind, soll man hochverehren.
Bücher werden, wenn man will, lebendig.
Über Bücher kann man ganz befehlen.
Und wer Bücher kauft, der kauft sich Seelen,
Und die Seelen können sich nicht wehren.
Joachim Ringelnatz
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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Ich liebe den Ringelnatz und manches von ihm könnte ich stundenlang zitieren..
Sirius
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Dann fang mal an. Ich höre...
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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Soweit ich weiß, haben Morgenstern, Ringelnatz, Kästner und so weiter, sich gegenseitig bei Symposien geistig befruchtet.
Als ich noch ein Seepferdchen war,
im vorigen Leben,
wie war das wonnig, wunderbar
unter Wasser zu schweben.
In den träumenden Fluten
wogte, wie Güte, das Haar
der zierlichsten aller Seestuten,
die meine Geliebte war.
Wir senkten uns still oder stiegen,
tanzten harmonisch umeinand,
ohne Arm, ohne Bein, ohne Hand,
wie Wolken sich in Wolken wiegen.
Sie spielte manchmal graziöses Entfliehn,
auf daß ich ihr folge, sie hasche,
und legte mir einmal im Ansichziehn
Eierchen in die Tasche.
Sie blickte traurig und stellte sich froh,
schnappte nach einem Wasserfloh,
und ringelte sich
an einem Stengelchen fest und sprach so:
Ich liebe dich!
Du wieherst nicht, du äpfelst nicht,
du trägst ein farbloses Panzerkleid
und hast ein bekümmertes altes Gesicht,
als wüßtest du um kommendes Leid.
Seestütchen! Schnörkelchen! Ringelnaß!
Wann war wohl das?
Zehn Weise können nicht einen Idioten ersetzen!
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Das "Seepferdchen" wurde im Buch "Laß uns eine Reise machen" 1976 veröffentlicht. Dort habe ich es jedenfalls schon oft bei mir gelesen und hätte es auch noch reingestellt.
Ich liebe ja den Natz.
Danke, dass du es nun reingestellt hast!
Sirius
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