Goldsworthy
Naturerlebnisse, in Schottland und sogar im Museum, angesichts der Kunst Andy Goldsworthys.
Zurück von den herben schottischen Bergen, nach knapp vierzehn Tagen erstmals keine Wanderstiefel mehr an den Füßen, muss man keine Sekunde überlegen, um in Edinburgh in eine Ausstellung mit Arbeiten von Andy Goldsworthy zu gehen. Seine Fotografien mit Mustern aus farbigen Blättern im Gedächtnis (hübsche Geduldspielerei, dachte man da, etwas herablassend), geht man in eine unerwartet dunkle Schau. Die meisten der auch gewaltigen (Natur-)Werke entstanden im schottischen Dumfriesshire.
Vor dem ersten Saal, zwischen zwei Säulen, ist eine Wand aus Stacheldraht gespannt, verrostete Drähte, dicht an dicht. Gibt es Warnschilder? Nicht in den National Galleries, die das lässigste aller Kunstmuseen sein dürften. Rucksäcke, Wasserflaschen, Einkaufstaschen, nichts muss abgegeben oder eingeschlossen werden. Die Besucherin (mit Tagesrucksack) hat das Gefühl, dass man ihr und allen anderen vertraut.
Rechts oder links am Stacheldraht vorbei und man steht vor einer Leinwand. In der Mitte ein weißer Kreis, darum herum beige-braune Spuren – „Sheep Paintings“ nennt Goldsworthy sie und sie sind fast noch frisch (jedenfalls von 2025). Wo der weiße Kreis ist, lag ein Leckstein, nun entfernt. Die feine beige-braune Zeichnung darum herum sind viele, nicht mehr zu unterscheidende Hufspuren, ist Färbung von Schafskötteln, Schafsurin. Vorsichtig streckt man die Nase vor, aber das, hm, Gemälde, scheint nicht zu riechen.
Man denkt an all die Schafe, die man in den letzten Tagen gesehen hat. An all die Schafsköttel, in die man getreten ist. Man hält eine Art Schafsandacht. Zögert dann vor „Hare Blood Snow“ – Schnee und das Blut eines Hasen auf Leinwand. Dieses Blut ist alt und braun, 2004 im Winter hat Goldsworthy einen Hasen überfahren, ihn mitgenommen, die Innereien durch Schnee ersetzt.
Der Boden eines Raums ist mit ockerfarbigen Steinen bedeckt. Nicht irgendwelchen Steinen, vielmehr solchen von 108 Friedhöfen. Keine Grabsteine, natürlich. Überall in Schottland liegen auch so genug Steine herum, ragen unterschiedlich hoch aus dem Boden. Es ist dämmrig und still im Raum.
In Filmen kriecht Goldsworthy durch eine Hecke, längs und mühsam. Geht über unter seinen nackten Füßen berstendes Eis. Bedeckt sich mit Seetang. Knetet Blaubeeren, seine Hände sind bald rot wie von Blut. Alles, auch die Blatt-Bilder, erzählt von seiner eigenen (und unserer) Kreatürlichkeit und Vergänglichkeit. Goldsworthy, so liest man, befestigt die Blätter für seine Blatt-Bilder mit Spucke. Ein Körpereinsatz auch da.
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