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RE: ??????

#1 von Karl Ludwig , 24.05.2016 07:45

Nabereschnyje Tschelny (Tartastan)

Putin hatte das Glücksspiel zum 01.07.2009 verboten, (na-ja, die Duma soll ja auch ein wenig daran beteiligt gewesen sein) und alle Betreiber von Kasinos mussten sich etwas Neues einfallen lassen. Ich bekam zwei Brüder in den Mitdreißigern ab, mindestens Halbweltler; denn wie könnte sich sonst jemand fast die gesamte Gastronomie einer Stadt mit ca. 500.000 Einwohnern unter den Nagel reißen? Sie besaßen schon zwei Sushibars (Diese klebrigen Dinger waren damals in Russland unglaublich in) mehrere Cafeterias mit dem Charme von DDR-Intershops, einen Luxusclub mit viel Plüsch und netten Nataschas, und ich bekam überall alles umsonst, bzw. auf Konto der beiden Geschwister von der Kleinmafia.

Nun wollten die Zwei aus ihren Glücksspielhallen weitere Lokale batiken, aber bitte ganz Extra, und ich flog nach Moskau, anschließend weiter nach Nab Chelny, (kein Mensch spricht den Namen, wie in der Überschrift angegeben, vollständig aus) und wurde abgeholt. Bei dieser Gelegenheit lernte ich die ortsübliche Schleuderfahrweise mit durchgedrücktem Gaspedal auf vereister Straße kennen, in übersteuerter Kurvenrutschtechnik - wie im Kino aber life und besser.

Ich bekam ein Appartement der Luxusklasse gestellt und kaufte mir als Erstes eine Gitarre. Danach kümmerte ich mich ein wenig um die Bedürfnisse der Kunden und stellte fest, dass die überhaupt keine echte Ahnung hatten, dabei ging es unter dem Strich gleich um fünf mal Innenausbau: Eine Minibrauerei, ein Fastfood SB Restaurant, ein Gourmettempel, ein Kinderland und ein Nachtclub, wobei ich in Sachen Fastfood (wischfreudig) und Kinderland (sicher) selber keine Praxis vorzuweisen hatte. Meine Erfahrungen beschränken sich auf „Nostalgisch und zwar aus Massivholz“. Da habe ich natürlich drum herum geredet: „Kauft einige gebrauchte Holzbearbeitungsmaschinen, einen Haufen abgelagertes Holz, am liebsten alte Holzfußböden aus aufgegebenen Fabriken, setzt euch mit Lieferanten wie BTI (Befestigungstechnik), Prugger (Leisten) und Arti (Oberflächen) in Verbindung, stellt einige Tischler ein und der intelligenteste soll sich dann mit den von mir in Deutschland erstellten Avs, Ideenskizzen, Konstruktions Know-Hows, nebst Ausführungsplänen beschäftigen. Wir brauchen auch eine Palette 15 mm Betonschalplatte für die Unterschränke, Einschlagkanten mit Haifischsteg aus Gummi, Schlösser für Schubladen, Vollauszüge, einen Bleiglasmeister. Besorgt Messingrohre und Fittings für die Fussrasten und Handläufe, wir benötigen auch Schnitzer, Dreher usw., ich habe hier eine Liste. Gehen wir mal die Planung durch und achten dabei auf offene Verkehrswege für das Personal. Die Toiletten würde ich etwas verdeckter, diskreter unterbringen, kein Mensch läuft gerne öfters durch den ganzen Laden um sich zu erleichterm, da hinten könnte man zwei kleine Pisssbecken unterbringen, und das Hauptklo vielleicht hierhin, nehmt den völlig überdimensionierten Personalräumen hinter der Bühne 2/3 Platz weg, wegen Bier und dem damit verbundenem Harndrang. Eine Kühltechnikfirma haben wir, die hat auch in China gute Arbeit hinterlassen und die Brauereitechnik importieren wir, den Braumeister werben wir von Paulaner ab, dann entsteht eine Option auf spätere Zusammenarbeit mit einer Markenfirma, so handhabte es auch der Bauherr in China: Erst den Laden fertig stellen und dann den Namen versteigern.

Lasst euch Küchenexperten kommen, am besten einen praktizierenden deutschen Restaurantbetreiber, der euch viel Geld und falsche Organisation ersparen wird. Als Erstes müssen Halbprodukte hergestellt werden. Säulen, Korbels, Barbretter, Bankstützen. Nein, ich darf an keinen elektrischen Anlagen rumfummeln, aber es gibt ELT-Pläne. Besorgt mir einen fitten Elektromeister.“

Ich erschlug den Kunden mit projektbezogenen Informationen. Ich hatte das gesamte dokumentierte Wissen der Firma auf mitgebrachter Festplatte. Im zukünftigen Kinderland ließ ich mir einen abschließbaren Raum zur Verfügung stellen, mit Rechner, Internet und allem möglichen Büroschnickschnack. Eine wirklich hübsche, aber ziemlich dumme Assistentin rundete meinen Auftritt als ernsthafter Experte ab.

Und nun kommen wir an den Punkt der Geschichte, wo es peinlich wird. Alles lief gut, bloß der Schreiber hier nicht. Ich will mich auch nicht raus reden, aber die, der Kundenpflege dienenden Saufgelage (Za nasch bizness) knabberten an meiner Substanz. Und somit fing ich an, mich mit den einheimischen Arzneimittel-listen auseinander zu setzen. Aha, rezeptfreie kodeinhaltige Lutschtabletten. Sehr schwach. Die Apothekerin empfahl eine andere Sorte und das war leider ein Psychopharmaka.

Man flog mich wegen Unzurechnungsfähigkeit aus, und in Deutschland brauchte es mehrere Wochen, bis ich wieder halbwegs sauber tickte. Meine Güte, war das peinlich. Hatte aber auch etwas Gutes. Mein Ersatzmann, ein sauffester Ire nach gescheiterter Ehe und Bankrott kam wunderbar zurecht und wurde nun in Russland zu einer bekannten Größe - ich zum Antialkoholiker. Und jetzt warte ich darauf, zum Antidrogisten, Antiraucher, Antifleischesser, Antivögler zu mutieren. Und der Antiluftholer steht mit ja auch noch bevor.

Das Leben ist schon komisch. Ich bin es auch ...


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RE: ??????

#2 von Sirius , 24.05.2016 20:46

Wir sind ja alle irgendwo etwas komisch, klsa, und es ist doch gut, dass du nun ein „Anti“ bist.
Es läuft halt manchmal nicht immer alles so, wie man es will, und im Nachhinein hätte man sicher gerne alles anders gemacht, aber das Leben ist halt auch manchmal komisch.
Im Moment tickst du jedenfalls richtig, zumindest gelegentlich.
Danke für die Offenbarung, das fällt ja auch nicht jedem so leicht.

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#3 von Karl Ludwig , 25.05.2016 08:24

Zitat: „Danke für die Offenbarung, das fällt ja auch nicht jedem so leicht.“

Offenbarung ist doch eher Glaubenssache. Nun, bei mir hat es tatsächlich was mit Glauben zu tun: Ich glaube nämlich an solche archaischen Grundwerte wie Ehre und Wahrheit und Toleranz etc. und manchmal versuche ich sogar sie zu achten.

Schreiben ist Beschwörung! Selbsthypnose. Eigenmanipulation ...

Es gibt vieles, was ich bereuen könnte, wenn ich denn dazu neigen würde. Aber wie fast jeder Mensch (Alles Egoschweine) lüge ich mir meistens Einen vor, betone die Siege, unterschlage die Niederlagen – hübsche mich in der Selbstdarstellung etwas auf. Tu schwer originell und schlagfertig, dabei bin ich eher etwas gehemmt und unsicher, vermutlich weil ich zweifel. Ein Neinchen. Ein: 'Nö! Will nicht. Nö! Das könnt ihr euch selber antun! Nö!' Philosoph.

Der Versuch, aus einer neutralen Richtung zu betrachten, ist lächerlich weil fast unmöglich. Ich übe noch: Es waren/sind die biochemischen, zentrales Nervensystem manipulierenden Substanzen, welche meine Aufmerksamkeit weckten, darunter Kodein, ein Opiumderivat, das allerdings kaum Entzugserscheinungen verursacht wenn man den Missbrauch einstellt. Auch zur Zeit lasse ich mir einmal im Monat ein Packung Codeinum phosphoricum forte 50 mg verschreiben. Die ballere ich mir an einem Tag rein und den Rest des Monats bin ich sauber. Aber ich könnte ja mal darüber schreiben, wie es ist, wenn man richtig morphinabhängig ist. Was für eine klägliches Elend. Und bei Heroin geht jede Zivilisiertheit endgültig flöten. Mit Partydrogen, Crack und solchen Sachen hatte ich nie etwas am Hut, Kokain macht nur in Kombination mit Valium Sinn, so man denn von 'Sinn' sprechen kann - ich habe es nur zwei-drei Mal probiert.

Manchmal glaube ich, dass mein 'Nicht-funktionieren' einen Schutz vor Erwartungen und Vereinnahmung darstellte.

Es gibt mehrere Methoden, sich mit Drogen zu arrangieren, so wie auch mit Alkohol. Jeder Genusstrinker hat schon mal übertrieben, vermutlich sogar öfters. Ich lasse den Drachen in mir ab und an frei, dann kriegt er keinen Koller.

Was solls? Ich bins, was ich bins. (Popeye) Und ich bins/wars im Prinzip nich tschlimm zu den Anderen. Eher zu mir.

... und außerdem bin ich fast 66 Jahre alt, da darf man die Altersmilde auch mal auf sich selber anwenden.


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#4 von Sirius , 25.05.2016 20:08

Du bist doch in Ordnung, klsa, und wir hier verzeihen so ziemlich alles, wenn es uns denn was anginge.
Ich selber muss Morphin nehmen, wegen einem Bandscheibenvorfall im Nacken, der nicht operabel ist, aber ein geistiges Hochgefühl bekomme ich davon nicht, das ist nur am Anfang so. Einmal im Jahr mache ich einen kalten Entzug mit einer anschließenden Spritzentherapie mit Cortison direkt in den Nacken in einer Klinik, so kann ich meine Dosis halten und muss sie nicht ständig erhöhen.
Aber irgendwann werde ich verblöden und bis dahin versuche ich zu leben.
Und Egoisten sind wir alle. Schon wer liebt, muss ein Egoist sein, denn er macht es, um selbst geliebt zu werden. Man darf es nur nicht übertreiben und noch Platz für andere lassen.
Für all die Popeyes, die altersmilde sind zum Beispiel.

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#5 von Karl Ludwig , 25.05.2016 20:58

Nein, nein Sirius. Mit reinem Morphium und gelegendlichem Null Overt kannst unverblödet uralt werden.

In der Tat ist das Problem von Suchtstoffen die Gewöhnung und damit verbundene Dosissteigerung, aber da scheinst Du ja auch mit klar zu kommen.

Ich brauchte bislang nur einmal aus echten medizinischen Gründen diese Pflaster, als ich mir in einer Axtquerhaltaktion alle Zähne ziehen ließ. Ein Bekannter ist mal besoffen in ein Schwimmbecken ohne Wasser geköpft, der braucht aber alle Pflaster für sich und macht mir zuliebe keinen kalten Affen, auf dass ich partizipiere.

Du vermutlich auch nicht. Alles Egoschweine! Pah!


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#6 von Sirius , 25.05.2016 21:44

Aber keineswegs! Wenn du mal was brauchst, ich habe Reserven. PN genügt.

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