Die Grugerhalle ist bis auf den letzten Platz leer. Auf dem sitzt ein Penner, weil es draußen regnet.
Der Vortragshalter stolpert zum Pult, räuspert sich, bekommt einen Hustenanfall, lässt das Manuskript fallen, verrenkt sich fast das Kreuz, als er sich bückt, kommt stöhnend wieder hoch und schlägt sich den Kopf am Sekretär an.
Der Penner blickt interessiert auf, als die Verstärkeranlage los kreischt. Nach einigen weiteren Vorfällen in dieser Richtung (Schnürsenkel verheddern sich, Nase läuft und keine Papiertaschentücher), die nur dazu dienen sollen das Scheitern als solches zu demonstrieren, legt der Redner endlich los:
Liebe Versager. Obwohl wir den größten Teil der Bevölkerung stellen, ist es bislang noch nie gelungen, unsere Interessen einer Minderheit von Gewinnern und Siegern gegenüber gemeinsam zu vertreten. Vorsichtige Schätzungen sprechen von 99,9 Periode minus ein achtmilliardenstel Nieten und nur wenigen auserwählten Gewinnern, aber von über 90 % Leuten, die sich einreden, sie gehörten zu den Erstplatzierten. Diese zu missionieren muss unser erstes Ziel sein. Die Wahrheit beim Namen nennen und so. Unsere verblendeten Brüder und Schwestern den goldenen Pfad weisen. Dieser eine legendäre Mann im Himalaja, der wirklich gewonnen hat, viele kennen ihn unter dem Namen Yeti, ist nur ein statistischer Ausrutscher, den wir getrost ignorieren können. Wir müssen uns organisieren, politische Ziele definieren, einen Parteislogan entwerfen, eine Fahne, Mensch, Leute, wir sind das Volk, die schweigende Masse, wir Wenigen, die sich ihres Versagens gewiss sind, wir müssen die Basis erweitern, strategische Planungen, Jungwähler begeistern und all so Sachen …
Der Penner schläft ein. Der Vortragshaltende bricht sich fast die Finger, als er seine Papiere wieder einsammelt. Den Mangel an allgemeiner Aufmerksamkeit, welche ihm entgegengebracht wird, wertet er als persönliches Versagen, ganz in der historischen Verantwortung seiner Innung den Traditionen gegenüber.
Überflüssig zu erwähnen, dass er beim Abgang in den Orchestergraben fällt. Das ist völlig normal.
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Wenn der eine Versager vom anderen wüsste, würde sich schnell herausstellen, dass die Grugahalle viel zu klein ist um eine Versagerhauptversammlung abzuhalten.
Missgeschicke ziehen sich durch unser aller Leben, doch sind wir meist geschickt genugt, sie hinter unserem perfekten äußeren Anschein zu verstecken.
Eigentlich fast nicht mehr erwähnenswert, dass ich deine Zeilen wieder mit Vergnügen gelesen habe, Karlchen. Nichtsdestotrotz will ich es nicht unerwähnt lassen.
Liebe Lottegrüße
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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Zitat von scrabblix
Wenn der eine Versager vom anderen wüsste, würde sich schnell herausstellen, dass die Grugahalle viel zu klein ist um eine Versagerhauptversammlung abzuhalten.
Oder auch nicht. Echte Versager scheitern schon an/bei der Anfahrt. Außerdem zeichnet Versager eine gewisse Lethargie aus. Die warten bis die Versammlung mal vom Fernsehen übertragen wird und sie dann von der heimischen Couch aus zusehen können.(Vorausgestzt es geht nichts schief beim Einschalten des Fernsehapparates)
Ich weiß das genau, weil ich schon jahrelang Versager bin.
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Viele Leute glauben ja, dass Versagen keine Leistung sei: Man baut Mist, hat Misserfolg, fällt auf die Schnauze und fertig wäre der Lack. Diese Annahme ist völlig daneben. Alleine das Mist bauen ist eine Kunst für sich. Das Problem ist nämlich die Dosierung. Man will nur ein wenig Mist bauen um seinem Ruf gerecht zu werden, passt nicht auf, dosiert verkehrt und schon ergeben sich die übelsten Katastrophen. Auch muss man kontrollieren, in welchen Angelegenheiten man versagt. Übel wird es für jede Lusche, wenn sie sogar beim Ab- oder Durchhängen versagt.
Ich spreche auch aus Erfahrung.
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Du hast recht, Karl-Ludwig, Versagen ist sicher eine Kunst, die beherrscht noch nicht einmal ein Versager. Ich schätze das komplette, desaströse Versagen, bei dem hinterher alles nach unbewohntem Mars aussieht. Das ist nur was für Könner und bedarf etlicher Übung. So etwas wird ja heute kaum noch angeboten, wenn man es nicht selbst macht.
Politische Versager sind eher an der Tagesordnung, Unfähigkeit auf Kosten des Steuerzahlers ist ja kein Versagen, es ist intellektuelle Dekadenz, eher die Regel als die Ausnahme. Dummbeutel, Populisten, Idioten, Schleimer auf dem Niveau eines politischen Dorftrottels, das Übliche, aber keine erfahrenen gestanden Versager.
Eris-Ado hat recht: Echte Versager scheitern schon bei der Anfahrt (der GrugA-Halle) und landen im Nepal.
Danke, Karl-Ludwig!
Sirius
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