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RE: Weinprobe

#1 von Sirius , 08.04.2017 00:16

Weinprobe

Weinberge gibt es meistens nicht auf Helgoland oder in Paderborn. Oder da, wo man sich gerade aufhält.
Aber das macht auch nichts. Es ist wie so oft im Leben, wenn man mal etwas braucht, ist es nicht da. Im Leben gibt es auch noch was anderes als Reben. Eben.
Schließlich gibt es in jeder ordentlich unaufgeräumten Wohnung einen Weinkeller – und sei es auf dem Dachboden oder in der Aktentasche.
Bei der Verköstigung, so heißt das in der Seemannssprache, verzichten wir auf das Brimborium der sogenannten Weinkenner, die sich wie beim Zähneputzen verhalten und nur auf ihre intellektuelle Unerfahrenheit aufmerksam machen wollen. Und die Weingläser hat man nicht nur wegen des Raumklangs so hoch gebaut, sodern dass auch was reinpasst.

Ich beginne mit einem Herbolzheimer Foltertropfen, der geht gleich leicht tänzelnd in die Beine, ölt die Verschraubungen und prüft die Organe auf korrekten Sitz.
Ich bedanke mich mit einem kleinen Bäuerchen.
Weiter geht’s mit Nachtmarstätter Furchtschweiß, ein edles Gesöff, das sämtliche Nebenwirkungen der morgendlichen Tabletteneinnahme vertreibt und ein Schnalzen auf der Zunge hinterlässt.
Jetzt ist eine Zomser Samtzunge angebracht, der sortiert die Geschmacksnerven neu und bringt mich auf Nikotinkurs, ein Schwarzer Trockenhalm kräuselt sich bedächtig hinauf zum Mond.
Ich widerstehe dem ersten Harndrang und proste der Gelbenheimer Schlosstoilette zu. Der erzählt von tränenden Augen und Magendurchbruch, ist aber zügig im Abgang.
Nun muss man sich langsam für eine Romantisierung des Abends oder für eindringliche Selbstgespräche entscheiden.
Wenn der Abendstern über dem Glockenturm Richtung Milchstraße wandert, wird es Zeit für einen Rinzenwerther Fußschweißhemmer, den man mit einem Alzheimer Hirnbichler nachspülen muss, worauf sich selbstständig das Hirn rebootet. Dieser feine Stoff suggeriert einem, das man keinen festen Boden unter den Füßen hat, was natürlich Quatsch ist und einem nur den gemütlichen Abend versauen soll.
Natürlich habe ich mir vorher notiert, dass ich auf dem Balkon sitze und den Weg zum Klo ins Navi eingespeichert, ehe ich über das Wuppertaler Schwebetröpfchen herfalle, das seinem Namen alle Ehre macht. Man darf ihn nur nicht genießen, während man am Geländer steht.

Wenn der Aschenbecher zum zweiten Mal voll ist, bin ich in Stimmung für einen Erzhemmungsröder Exhibitionistentrunk, der kommt auch gut in Gesellschaft und sorgt für die nötige Lockerheit. Dazu singt man am besten lauthals „Griechischer Wein“, während Grönemeyer die Nachbarn mit „Was soll das?“ beschallt. Die jetzt noch an die Umwelt abgegebenen restlichen Dezibel erträgt man mit einem Sulzbacher Dorfbrunzer.
Die ignoranten Banausen, die sich ringsum versammeln, um ihren Unmut über ihren verpassten Pilcher-Abend kundzutun, grüße ich freundlich mit „Ihr Schwabbelärsche“ und werfe ein paar Stinkbomben auf die Nachbarbalkone, worauf augenblicklich Ruhe ist unterm Sternenhimmel, bevor die ersten übriggebliebenen Silvesterraketen in den Blumentöpfen landen.
Nach einem Schlückchen Miltenberger Schmirgelzunge funktioniere ich die Flasche zu einem aparten Molotow-Cocktail um, der zwei Terrassen weiter den Grillabend verschönert.
Ich freue mich, dass sich die Stimmung großflächig verbreitet und gebe den Glinzer Speiteufel spontan an den unteren Balkon ab und die Hornveilchen ergeben sich auf der Stelle.
Nun ist auch wieder Platz für einen Furzer Knallpfropfen, der motiviert mich zu einer gekonnten Tyrannen-Rede, die voller Inbrunst durch das ganze Viertel hallt und von Freiheit erzählt, ihr verblödeten Arschlöcher.
Von fern höre ich die ersten Sirenen der anrückenden Miliz und entkorke noch einen Ottenschwänzer Leberschaden. Das Sturmgeklingel der ortsansässigen Gestapo quittiere ich verächtlich mit einem Mannheimer Nassschleimer, bevor die Feuerwehr die Tür einschlagt.
Das hat man davon, wenn man gemütlich zu Hause bleibt und sich einen schönen Abend machen will.

Sirius


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RE: Weinprobe

#2 von Jonny , 08.04.2017 06:19

Sirius, da hast du wieder zugeschlagen...
Ich meine wieder einen Text verfasst, der mich um 6 Uhr morgens schon in gute Laune bringt.
Und das hat einen gewissen Seltenheitswert - zumindest an solchen Samstagen, an denen ich arbeiten muss.
Ich werde, wenn ich zurück bin, deine Satire mindestens noch einmal lesen, bei einer - na was?
Bei einer Flasche Wein!

Das ist ein Lesezeichen!!!

Bis später
Jonny

 
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RE: Weinprobe

#3 von Sirius , 08.04.2017 19:59

Lieber Jonny, das freut mich jetzt aber doch sehr, dass du einen guten Einstand in den Tag hattest.
Ich hoffe, es ist so weitergegangen und du kannst die Weinprobe fortführen, nachdem du geschafft bist.
Ich danke dir herzlich für deinen lieben Kommentar!

Sirius


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