Jakobsweg

Was ich zutiefst bedaure, ist, dass ich nicht mehr die weiten Wege gehen kann, obwohl ich daran arbeite, Schmerz zu ertragen, der nicht erträglich ist.
Ich möchte so gerne den Jakobsweg gehen, die achthundert Kilometer von Saint-Jean-Pied-de-Port (ein kleiner langweiliger Ort in Frankreich) bis nach Santiago de Compostela.
Nur für mich.

Nicht um etwas zu schaffen, was jeden Tag so viele schaffen, und das in jedem Alter, sondern um meinen Sinn zu finden, meine Gedanken, mein erlebtes Leben aus einer ganz anderen bescheidenen Sicht.
Ohne mich um die Realität zu kümmern, die politischen Gegebenheiten, die täglich neuen erschreckenden Nachrichten, um einfach mal auszubrechen aus der Alltags-Denke, mal völlig unbeeinflusst sein von der täglichen Routine.
Ich möchte wissen, was ich aufnehmen kann von mir selbst, an Gefühlen, an Gedanken, die sich nicht an das Geschrei, das täglich um einen herum ist, kümmern, meine Schreibe finden, wenn ich mit mir alleine auf dem Weg bin.
Als Fremder nur auf einem Weg, an dessen Ziel ich selber stehe.

Manchmal überkommt mich dieser Wunsch so sehr, dass ich alles stehen- und liegenlassen möchte, dass es mir wurscht ist, wenn ich am Wegesrand verrecke, dass ich einfach los muss, um diesem egoistischen Wahnsinn zu entkommen, dieser so eingeübten Heuchelei, die mich krank macht und mich aufzehrt.
Das wäre so, als könnte ich dieser Welt entkommen für ein paar Wochen, vielleicht in meinem Kopf für immer.
Manch einer braucht die große Welt, die Eitelkeit des Vorzeigens, die Strandkoketterie, die Harmonie der gespielten Zugehörigkeit, die in ihrer Nähe aber begrenzt ist, das Schaulaufen eingeübter Präsentation, die Freude am Rummel, das Bewundern schöner Fassaden.
Und sie machen es einfach, weil es sie glücklich macht, weil sie etwas brauchen, um sich zu erinnern an schöne Tage, an Erlebnisse, an Menschen.

Ich möchte nur den Jakobsweg gehen. Ich möchte aus meinem Kopf aussteigen und sehen und hören und fühlen. Und fremde Menschen mit dem selben Ziel nicht als fremd erleben, sondern als Freunde, die aus dieser Welt rauslaufen zu sich selber hin.
Ich weiß nicht, wie ich denke, wenn ich über einen längeren Zeitraum nicht funktionieren muss. Vielleicht verstehe ich die Dinge und die Menschen dann besser, vielleicht weiß ich dann besser ein Glück zu schätzen.

Sirius

Da klingt eine große Sehnsucht, aus ehrlichen, gut gewählten Worten, nach einem Schatz, der mit Händen nicht zu greifen ist, Sirius.

Dass dein Wunsch, wenn nicht in Gänze, zumindest annähernd in Erfüllung geht,

wünscht dir
Lotte

Ich danke dir sehr für deinen Wunsch, Lotte, und auch für deinen lieben Kommentar!

Ich wünsche dir, dass du diesen Weg gehen kannst, Sirius.
Und noch viele andere Wege, auf denen du nicht einfach nur funktionieren musst, sondern du selbst sein kannst.
Schade, dass es vielleicht nur ein Wunsch bleibt...

Jonny

Ich habe noch Glück, Jonny, ich kann noch oft ich selbst sein und muss mich nicht verbiegen.
Es macht mich nur traurig, dass, wie du richtig sagts, es nur ein Wunsch bleiben wird.
Danke für dein Lesen und Kommentieren!

Sirius

Seit Jahren spiele ich auch immer mal wieder mit dem Gedanken, den Jakobsweg zu gehen. Bei mir wär vielleicht eher das Problem, dass ich mich ständig verlaufe.

Dir wünsche ich, dass du ein Stück des Weges gehen kannst wenn dein Herz sich so danach sehnt!

Dankeschön, kama, dass du mich verstehst. Und mit dem Verlaufen würde ich mir keine Sorgen machen. Der ist praktisch idiotensicher, also für mich geeignet.
Und wenn, dann will ich natürlich den ganzen Weg gehen.

Sirius