Ich denke mir, ich bin zu früh geboren.
Was wusste ich von dieser Welt, dem Kriege,
ich lag noch eingewindelt in der Wiege.
Die falsche Zeit, die ich mir auserkoren.

Man kann in seinem Leben viel vergessen,
die Bombennächte aber sind geblieben,
ins kindliche Gedächtnis eingeschrieben.
Was sonst geschah, das waren Petitessen.

Wir spielten unbeschwert in den Ruinen.
Es war die Welt, die uns der Krieg geboten,
die Welt der Häusertrümmer und der Toten.
Sie lachte nicht, sie schien uns anzugrienen.

Dass nicht vergessen wird, wie wir mal waren,
mit unserm Kohldampf, unsern Alltagssorgen,
der Unbekümmertheit, dem Gruß ans Morgen -
wir Trümmerkinder in den Nachkriegsjahren.

Zitat von Angelika

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Oh ja, Weege, spricht mich an. Besonders die Conclusio scheint mir sehr gelungen. Allerdings hat das Gedicht nach meinem Geschmack zu viele Abstraktionen. Ich bastle auch an einem Gedicht aus der Kindheit, aber so richtig zufrieden bin ich noch immer nicht. Ich stell das Gedicht mal ein. Vielleicht fällt jemandem auf, was fehlt, wäre prima.
Angelika

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Dass dein Gedicht perfekt gereimt ist, Angelika, muss ich dir nicht erst sagen. Und doch, dir fehlt etwas. Mir auch.

Dein Blick zurück fasst Bekanntes recht nüchtern zusammen. Allgemeingültiges für die in den 40er Geborenen.
Während aus weeges "Kindheit" der kleine Jörn spricht, schweigt die kleine Angelika.

Liebe Lottegrüße

Scrabblix, das Gedicht ist aus der Perspektive des Erwachsenen geschrieben. Da kann nicht die kleine Angelika sprechen, sondern da spricht die große Angelika. Das ist es meiner Ansicht nach nicht. Mir fehlt etwas ganz anderes: die Konkreta. Vielleicht braucht das Gedicht noch eine Strophe, ich setz mich mal auf den Hintern und dichte sie. Und stell sie dann ein.

Angelika

Ich denke mir, ich bin zu früh geboren.
Was wusste ich von dieser Welt, dem Kriege,
ich lag noch eingewindelt in der Wiege.
Die falsche Zeit, die ich mir auserkoren.

Man kann in seinem Leben viel vergessen,
die Bombennächte aber sind geblieben,
ins kindliche Gedächtnis eingeschrieben.
Wer's nie erfahren, kann es nicht ermessen.

Und als wir müde aus dem Bunker kamen,
die Fliegerbomben uns nicht mehr bedrohten,
wir stiegen über Trümmer, sahn die Toten,
da wusst ich von der Sonne nur den Namen.

Die Zeit verging. Ich malte tausend Sonnen,
es war nur Stille da und jenes Schweben.
Ein jeder Tag war Kampf ums Überleben,
und nicht ein jeder hatte ihn gewonnen.

Wir Kinder kannten Tod nur und Ruinen.
Es war die Welt, die uns der Krieg geboten,
die Welt der Häusertrümmer und der Toten.
Sie lachte nicht, sie schien uns anzugrienen.

Dass nicht vergessen wird, wie wir mal waren,
mit unserm Kohldampf, unsern Alltagssorgen,
der Unbekümmertheit, dem Gruß ans Morgen -
wir Trümmerkinder in den Nachkriegsjahren.

Ich habe noch zwei Strophen eingefügt und zwei Verszeilen umgeschrieben.

Liebe Angelika,

Ich stimme Lotte zu, wie wäre es, wenn du Details aus dieser Zeit beschriebest - den Geruch von zerbröselndem Mörtel, die Zinnen eines zerbombt Hauses oder was auch immer..das zöge mich hinein in die Zeilen.

Interessantes Thema, vielen Dank dafür.

Liebe Grüße

Frollein a.

Liebes Frollein, danke für das Reinsehen. Du bist in einer anderen Zeit aufgewachsen, damals hatten wir keinen Sinn für Romantik, sondern vor allem immer knurrende Mägen. Da interessierten Gerüche von nassem Mörtel weniger, im Gegenteil, für uns war das der Gestank des Krieges.

Angelika

Die eingefügten Strophen sind genau das, was ich meine, Angelika. Sie sprechen mich an, weil eine
Ahnung der Empfindungen der kleinen Angelika mitschwingt.

Liebe Angelika,

Es ging mir nicht um das Romantisieren ( ich bin übrigens deutlich älter als du wahrscheinlich denkst!) , sondern um die Beschreibung von Details. Wie stank der Krieg?

Herzliche Grüße

Frollein a.

PS: Besonders gefällt mir das Wort grienen, das du verwendet hast...

Liebes Frollein, liebe Srabblix,

was die Details angeht, so habe ich sie auch sehr gern, die bringen Farbe ins Gedicht, sonst wird ein Gedicht immer zu abstrakt und beinahe steril. Ich habe das Gedicht 2014 geschrieben und mich seitdem darüber geärgert, dass ich es nicht so hinkriege, wie ich mir das vorstellte. Das Thema Nachkriegskindheit ist ja in den Medien gegenwärtig ziemlich präsent, deshalb ist mir dieses Gedicht überhaupt wieder eingefallen. Nun endlich kann es so bleiben, es soll ja nicht in die Ausstellung. Habt vielen Dank, dass ihr gesehen habt, woran es hakte. Gemeinsam geht eben alles besser.

Angelika

Das finde ich auch, liebe Angelika