Siriusjahr

Nun spüre ich schon, dass es wieder Zeit ist, aus den Kuscheldecken zu fallen, aus dem Winter und den verlorenen Umarmungen.
Der Frühling wird mir wieder heiser in der Kehle stecken, die Tage werden dünnhäutiger, die Nächte wärmer, und kein Dunkel verbirgt mehr Haut und Seele. Es wird schwerer, das Weh zu verstecken.
Die „Lauen-Winde-wehn“- Gedichte werde ich mir schenken. Was schreibe ich Narr mir die Seele in die Zeilen wie ein Raufbold seine Dummheit auf der Kirmes.
Es muss nicht noch der Depp über sich selber lachen.

Der Sommer wird kommen wie ein Raubvogel und sich die greifen, die im Winter schlafen wollten, und sich auf bereitwillige Haut stürzen.
Der Schlaf wird sich minimieren von Stunden zu Momenten, um den Träumen zu entkommen.
Die Birken werden sich zum Himmel recken und aufatmen. Ich werde Gedichte lesen und weinen.
Und ich werde Abend für Abend wieder vor verlorenen Silben Totenwache halten, den Gesang der anderen hören und an den Wahrheiten zugrunde gehen.
Fliehen werde ich zu den Wörtern, die mich bedingungslos aufnehmen, zu der Zärtlichkeit, die keine Zeitverschwendung ist.

Einen Mond werde ich nur für mich haben. In seinen Untergang lege ich mein Herz. Dann werde ich gehen, wie einer, der vom Mond gefallen ist, mit stummen Blicken, wie einer, dem man nicht mehr weh tun kann.
Und in den schweren Tagen des Herbstes kämme ich mir erneut die Blätter aus dem spärlichen Haar und warte mit spröden Lippen auf den Kuss des Winters.
Dann liegen wieder still die Stunden, die dürren Äste der kahlen Bäume recken sich nach mir, der Abend reglos wie die Wünsche des vertanen Jahres.

Sirius

Was für ein Resümee, lieber Sirius. Eine ziemlich Gefühlsduselei, wie ich sie an vielen Stellen nur nachempfinden kann.

Sehr gern gelesen.

Leo

Dankeschön, Leo, dass du mir durch mein Gefühlschaos gefolgt bist!

Sirius

"...vor verlorenen Silben Totenwache halten..."
Auf sowas muss man erst einmal kommen.

Erschreckend schön, deine Zeilen, Sirius! Dem Leser bleibt nichts, als das LI virtuell zu umärmeln.

Liebe Lottegrüße

Dankeschön, Lotte, für deinen lieben Kommentar!

Sirius

Herrlich, Sirius.
Dein Text hat wieder diese Siriusische Tiefe, in der ich so gern tauche.
Dieses Zusammenspiel aus lyrischer Traurigkeit und einem irdischen Sehnsuchtsschrei nach Leben,
gibt deinen Zeilen eine wunderbare Melodie.
Du spielst ein Instrument, dessen Klänge mich stets erreichen.

Jonny, mit einem Lesezeichen

Ach, Jonny, was für einen tollen Kommentar hast du wieder hinterlassen!
So ausgelassen, so frech und zynisch, so wortverwegen wir manchmal sind, so melancholisch greift mitunter die Traurigkeit mit ihren herzverklebten Wörtern nach uns. Dann lassen wir diese Gedanken in unserer Stille wohnen.
Ich danke dir herzlich!

Sirius