Tot in fünf Sätzen
Ich erwache in einen eiligen Morgen,
ducke mich vor dem Grau,
humple geschlagen durch den Tag,
werfe ein mundvoll Worte gegen die Wand,
und erschrecke über das Läuten an der Tür.
Auf meinem Kopf frisst das Alter,
ein schwarzer Himmel schickt die täglichen Teufel.
Eingesperrt in Mitleid
verachte ich mich selbst
und verstecke mich in der Dunkelheit.
Der Abend lügt mit Stille
wie die Tage fressenden Menschen.
Alles in mir ist schon weit weg,
nur ich in den lärmenden Ketten
kann nicht hinterher.
Sirius
Reset the World!
Beiträge: | 27.120 |
Registriert am: | 02.11.2015 |
Jau, Sirius. Das sitzt. Endlich mal einer, der TACHELES redet. Da sind keine Vöglein, die zwitschern, da sind Krähen, die zu Recht krähen. Das ist künstlerisch gelungen, saustark der erste Vers, hinter dem die anderen etwas hinterherhinken. "Ich erwache in einen eiligen Morgen,..." ist sausaustark. Ich glaube nicht an das LI, es ist immer der Schreiberling, der sich selbst meint. Aber tröste dich: Ich kenne Leute, die waren mit 20 so und werden es immer sein, nie eine Freude, nie eine Liebe, nie ein Leben gehabt. Du bist älter, OK, aber ich gehe davon aus, dass du dein Leben irgendwann gelebt hast. Und wenn Du SO ETWAS zu Papier bringst - ist es erst recht Leben, das Dich treibt. Toll auch der Schluss:
"Alles in mir ist schon weit weg,
nur ich in den lärmenden Ketten
kann nicht hinterher."
Das tägliche Sterben, Weniger Werden.
Die Lösung? In einer Milliarde Jahren oder so stürzt die Erde eh in die Sonne, so what?! Oder: Einfach mal eine schöne Frau küssen...
LG, Jörn
Nicht erst morgen, heute komm zum Rosengarten. (Pierre de Ronsard)
Beiträge: | 2.548 |
Registriert am: | 20.12.2016 |
Alles Unsagbare gesagt in fünf Sätzen. Düster, ehrlich und bewegend.
Wahrhaftig starke Zeilen, Sirius!
Liebe Lottegrüße
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
Beiträge: | 6.273 |
Registriert am: | 05.11.2015 |
Lieber Jörn, deinen Rat werde ich schon morgen beherzigen! Also ist alles nicht ganz so schlimm. Mit dem LI sehe ich es wie Du: Es ist eine schamhafte Erfindung der Autoren, die sich dahinter zu verstecken glauben. Ich bin mein LI, mein Gott, mein Teufel, mein Nichts und mein Alles. "Alles muss raus" ist ein altes Rezept, um sich wohler zu fühlen. Die Dinge verlieren an Schrecken, sobald man sie benennt.
Ich danke dir für deinen treffenden und ausführlichen Kommentar. Das Leben schmeckt halt nicht immer nach Zuckerwatte, sondern oft nach Zitronen. Dankeschön!
Liebe Lotte, auch dir danke ich herzlich, und ich weiß, hinter deinen Worten stecken noch viele Sätze.
Sirius
Reset the World!
Beiträge: | 27.120 |
Registriert am: | 02.11.2015 |
"Die Dinge verlieren an Schrecken, sobald man sie benennt" Eben. Redet miteinander.
"Ich bin mein LI, mein Gott, mein Teufel, mein Nichts und mein Alles." ist eigentlich ein Gedicht wert.
Jörn
Nicht erst morgen, heute komm zum Rosengarten. (Pierre de Ronsard)
Beiträge: | 2.548 |
Registriert am: | 20.12.2016 |
Schonungslos und gut. Und, wie hier schon angemerkt, ja, auch jüngere Menschen kennen diese Zustände.
Gruß,
Richard
Beiträge: | 1.651 |
Registriert am: | 03.11.2015 |
Dankeschön für deinen Kommentar, Richard!
Und Grüße zurück!
Sirius
Reset the World!
Beiträge: | 27.120 |
Registriert am: | 02.11.2015 |
Erschreckend gut, Sirius. Alles andere wurde bereits gesagt.
Beeindruckte Grüße
Leo
Schreiben macht schön.
Beiträge: | 4.384 |
Registriert am: | 12.11.2015 |
Ein eigenes Forum erstellen |