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RE: Frühstück

#1 von Sirius , 19.03.2019 21:19

Frühstück

Es begab sich aber, dass ich heute morgen noch vor dem Aufstehen einen Termin bei meiner Ärztin hatte. Meine Laune war dementsprechend entgegengesetzt zum Blutdruck.
Nach nur fünf Minuten aber hatte sich das erledigt bei der Dame, und mir blieb eine Stunde, bis die Post öffnete, weil die erst beginnen, wenn das Personal ausgeschlafen hat.
So gönnte ich mir ein karges Industrie-Frühstück, nahm das Tablett und setzte mich hinter zwei alte Herren, für die Männer unter 70 alles grüne Bengel waren.
Sie schwärmten gerade von der guten alten Zeit, als Österreich noch zu Deutschland gehörte und als Deutschland noch Kultur besaß.

Ich sortierte die kümmerlichen Käsescheiben zu den zwei lächerlichen Brötchen und begann mit einem Teelöffel auf das Ei draufzuschlagen. Zu meinem Entsetzen erkannte ich, dass das dekadente Personal mein Ei verkehrt herum in den Becher gesetzt hatt, ein unverzeihlicher Stilbruch, ein Affront gegen jeden versierten Eier-Fetischisten.
Ich nahm noch einen zweiten Löffel und hämmerte mit beiden wie ein Berserker auf dem Ei herum.

„Damals kostete ja ein Telefon im Auto zehntausend Mark! Zehntausend Mark! Das Telefon war teurer als das Auto!“, so der älteste der beiden Herren.

Ich nahm das Ei und schlug es auf den Tisch, es erfolgte eine erste Reaktion, sodass ich die Schale entfernen konnte. Als ich mit dem Löffel in das Ei wollte, brach er ab. Der Löffel. Ich nahm zwei der üblichen stumpfen Messer und schärfte sie miteinander, was mir viel Aufmerksamkeit brachte.

„Für den DKW 1000 gab es ja überhaupt keine Ersatzteile damals. Nichts!“

Ich sägte mich scheibenweise mit dem Messer durch das Ei, die Haare inzwischen klatschnass vor Anstrengung, aber es ist mein Leben, mit diesen Anstrengungen fertig zu werden.

„Später hatte ich dann einen R4. Der hatte eckige Räder! Im Ernst! Nicht ganz eckig, aber doch so, dass der Wagen ruckelte, wenn man langsam fuhr. Dir wäre bei jeder Fahrt das Gebiss rausgeflogen.“

„Meine Frau macht ja heute Grünkohl durcheinander“, so der Zweite.

Nach etwa zwanzig Minuten hatte ich mich zum Kern des Eis durchgesägt, das Eigrün. Es hatte einen Verlauf von grau nach schwarz, sodass die Kochzeit etwa fünfzehn Minuten betragen haben musste. Mit dem Löffel hineinzustechen war viel zu gefährlich, es würde mehr krümeln als ein Brötchen auf dem Bettlaken. Also hob ich es elegant heraus, worauf die meisten Gästen an den Nachbartischen schon warteten.

„Gestern hatten wir Möhren durcheinander.“
„Bei uns gabs die schicken Nacken.“
„Die was?“
„Schicke Nacken. Irgendwas mit Hühnchen, paniert. Heißt so auf englisch.“
„Meine Frau püriert ja alles.“
„Grünkohl durcheinander ist doch schon püriert!“
„Das weiß der Grünkohl doch nicht!“

Die kleine grüne Eikugel hob sich elegant aus dem Eiweiß heraus, fiel dann vom Löffel auf die Erde und kullerte an den beiden Herren vorbei.
„Was ist das denn?“
„Möhren. Französische. Gibts meist im Glas, sind rund, aber rötlich, sehen aus wie Kirschen. Eine grüne hab ich aber noch nicht gesehen.“
Von den Nachbartischen kam ein trauriges, langgezogenes „Oooh..!“
Entkräftet und gedemütigt legte ich Eierbecher und Werkzeug zur Seite, stieß an die Kaffeetasse, die sich über den Frischkäse ergoss.
Ich nahm einen Bissen von einer trockenen, unbelegten Brötchenhälfte.
Aufmunternder Applaus von allen Seiten.


Sirius


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RE: Frühstück

#2 von scrabblix , 19.03.2019 21:44

Ich muss dich enttäuschen, Sirius. Graugrün heißt mitnichten, das Ei wurde heute fünfzehn Minuten gekocht.

Nachdem du bereits die Kosten für dein grottiges Frühstück getragen hast, erlaube ich mir auf deine Kosten ein schallendes Lachen.

Lachende Lottegrüße


Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.

 
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