Christian Gesellmann zornig.
8. Oktober um 06:16 ·
Der Monat geht in seine zweite Woche. Für mich traditionell der Moment, um mit klammen Fingern das Passwort fürs Onlinebanking einzutippen. Mal gucken, wie schlimm es diesmal ist. Mal sehen, welche der Rechnungen, die ich Ende letzten Monats gestellt habe, überwiesen wurden.
Dann mal nachfragen, was los ist. Hallo, ich bin's wieder. Ja, immer noch pleite. Wie sieht's denn aus?
Dann guck ich auf die Liste der Auftraggeber, die mir schon seit Monaten Geld schulden. Und frag dort auch nochmal nach, wann ich denn bitte mein Geld bekomme für die Arbeit, die ich längst geleistet habe. Und für die ich meist Auslagen hatte, Reisekosten, Arbeitszeit.
Im Moment habe ich Honorare in vierstelliger Höhe ausstehen, teilweise aus dem Juni noch. Jetzt ist Anfang Oktober und mein Dispo schon wieder so gut wie ausgereizt. Hervorragend. Zum Glück arbeite ich nebenbei an einer Bar. Da wird pünktlich gezahlt. Und vom Trinkgeld kann ich mir ja das Nötigste leisten. Als ich im Sommer eine depressive Phase hatte, vom Schreiben ein Pause machte und als Bauhelfer arbeitete, wurde ich sogar wöchentlich bezahlt (in der Zeit ist auch das Foto entstanden, auf dem Zorn nur gespielt ist, dass ich zur Illustration jetzt aber unsubtil genug fand).
Wenn vom Zustand der Pressefreiheit in Deutschland die Rede ist, dann geht es meist um Bedrohung von Journalisten durch Neonazis oder Diskriminierung durch Behörden. Das gibt es alles, und es ist ein Problem. Aber was das viel größere, viel mehr Autoren und andere freie Berufe betreffende Problem ist: unanständig niedrige Honorare und die Arschloch-Zahlungsmoral unserer Auftraggeber.
Ich weiß ja nicht, wie eure Vermieter, Krankenkassen, Telefonanbieter, Finanzämter etc. so drauf sind, aber meine wollen ihre Kohle pünktlich. Und die Mahnungen kommen safe wie das Amen. Und nach der Mahnung kommt kein Erbarmen. Denen kann ich nicht einfach sagen, oh, ich hab mir den Arm gebrochen, ich kann erstmal gar nichts machen. Die Kollegin hat ein Kind gekriegt. Sorry, bei mir ist so viel liegen geblieben in letzter Zeit, da hab ich's verpeilt.
Interessanterweise spielt es auch gar keine Rolle, ob es Linke sind, oder Verwaltungen oder öffentliche Anstalten oder konservative Stiftungen. Überall gebrochene Arme, wenn man seinem Geld hinterher fragt. Der zuständige Sachbearbeiter immer grad zufällig krank. Niemand zuständig. Keine Entschuldigung.
Zum Glück habe ich großartige Freunde, die dann auch mal aushelfen mit Geld. Die sagen, ja, solche Phasen gibts im Leben, am Anfang ist immer schwer mit der Selbstständigkeit. Aber an solchen trüben Oktoberdienstagen vergeht mir dann doch manchmal ein bisschen der Glaube dran, dass das irgendwann mal aufhört.
Gerade haben mir die Mietwagenwichser von enterprise schlappe 1000 Euro von der Kreditkarte gebucht, weil ich ihre Klapperkiste mit einem Steinschlag zurück gebracht habe. Aber gern doch.
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