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Martin Sonneborn: „Das ist nicht Rassismus, das ist Schuhcreme“

#1 von Sirius , 18.08.2020 17:44

Martin Sonneborn: „Das ist nicht Rassismus, das ist Schuhcreme“

Martin Sonneborn sitzt für „Die Partei“ seit 2014 im EU-Parlament. Im Interview spricht der Ex-Titanic-Chef über Grenzen der Satire, den schlechten Zustand der EU und warum er manchen als Rassist gilt.

BerlinWir treffen Martin Sonneborn, den Ex-Chefredakteur des Satiremagazins Titanic und Mitbegründer der Partei „Die Partei“, am Stuttgarter Platz in Charlottenburg. Sonneborn sitzt seit 2014 im EU-Parlament als Fraktionsloser, vergangenes Jahr ist ihm der Wiedereinzug geglückt. Der Parlamentarier ist gut gelaunt, aber verkatert. Immer wieder sprechen ihn Leute an und wollen wissen, wer er ist.
Berliner Zeitung: Lieber Herr Sonneborn, Harald Schmidt hat einmal gesagt, dass er heute seine Sendung nicht mehr machen könnte, weil seine Witze zu viele Menschen beleidigen würden.

Martin Sonneborn: Er dürfte jedenfalls nicht nur Polenwitze machen, sondern müsste auch Bulgaren und Rumänen beleidigen, um im Netz nicht einseitig als Polenhasser angefeindet zu werden. Smiley. Aber ja, er würde viele Shitstorms produzieren. Das ist eine bedenkliche Entwicklung, die Satire und Gesellschaft derzeit nehmen. Zu meiner Zeit galt bei Titanic: „Klares Ja zum Nein!“ Wir waren einfach gegen alles. Heute beobachte ich besorgt, dass es darum geht, Anliegen zu unterstützen, Minderheiten zu schützen. Das ist aber nicht die Aufgabe von Satire. Wenn man politisch korrekt arbeiten muss, schadet das der Kunst.

Was waren denn so Ihre schlimmsten Überschreitungen, die heute No-Gos wären?

Wir hatten anlässlich von Bundespräsidentenwahlen oft aggressive Titel, etwa einen strahlenden Roberto Blanco mit der Titelzeile: „Warum nicht mal ein N****?“ Als Hildegard Hamm-Brücher antrat, haben wir „Zwei gute Gründe für Hamm-Brücher“ geliefert und auf dem Cover weibliche Brüste abgebildet. Das würde man heute nicht mehr machen können. Aber wir mussten das nicht erklären damals. Es war Kunst. Es war gesellschaftskritisch. Es war Satire. Damit war es auch geschützt.

Erleben Sie viele Shitstorms?

Ich gehe relativ unbeschadet durch die Zeit. Aber auch bei mir melden sich unbedarfte 17-Jährige, die sich über alte Aktionen beschweren. Vor zehn Jahren hatten wir ein Wahlplakat. Ich hatte mich schwarz angemalt und plakatiert: „Ick bin ein Obama!“ Das war kurz nach Obamas Besuch und der hysterischen Verehrung, die die Berliner diesem – zumindest nicht unproblematischen – Politiker entgegengebracht haben. Ich wollte das persiflieren. Ein US-Journalist hat mich danach nachts angerufen und gefragt, ob das nicht rassistisch sei. Ich sagte: „Das ist kein Rassismus, das ist Schuhcreme.“ Blackfacing als Phänomen war damals niemandem von uns bekannt. Auch wenn ich das heute nicht wiederholen würde, finde ich die Aktion immer noch in Ordnung. Ich bin kein Rassist. Ganz im Gegenteil. Wir kämpfen seit Jahren für humanistische Ideale und gegen Rechtsradikale. Manchmal sogar erfolgreich. Nach unseren Aktionen sind schon DVU-Landtagsabgeordnete und FDP-Kreisvorsitzende zurückgetreten. Wenn dann empörte Jungmänner, -frauen und -diverse kommen, ein schwarzes Gesicht sehen und im Netz „Rassist“ schreien, würde ich ihnen am liebsten einen Link zu unseren „heute-show“-Filmen schicken. Aber ich diskutiere da nicht. Aus Gründen.

Weiterlesen:

https://www.berliner-zeitung.de/kultur-v...ab-global-de-DE


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Sirius
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