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Die Erblindende

#1 von Sirius , 09.11.2020 17:25

Die Erblindende

Sie saß so still wie die anderen beim Tee.
Mir war zuerst, als ob sie ihre Tasse
ein wenig anders als die andern fasse.
Sie lächelte einmal. Es tat fast weh.

Und als man schließlich sich erhob und sprach
und langsam und wie es der Zufall brachte
durch viele Zimmer ging (man sprach und lachte),
da sah ich sie. Sie ging den andern nach,

verhalten, so wie eine, welche gleich
wird singen müssen und vor vielen Leuten;
auf ihrem hellen Augen die sich freuten
war Licht von außen wie auf einem Teich.

Sie folgte langsam und sie brauchte lang
als wäre etwas noch nicht überstiegen;
und doch: als ob, nach einem Übergang,
sie nicht mehr gehen würde, sondern fliegen.

Rainer Maria Rilke


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Sirius
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RE: Die Erblindende

#2 von weegee , 09.11.2020 21:05

Noch immer und immer wieder einfach nur schön! Und unglaublich zart. Der erste Vers ist so glatt und leuchtend und ewig --- wie ein Edelstein.

Dabei mag ich ihn eigentlich gar nicht, den Rilke. Außer den Panther.

Jörn


Nicht erst morgen, heute komm zum Rosengarten. (Pierre de Ronsard)

 
weegee
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Die schweigenden Dörfer

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