Was will er von ihr?
Sara Mesa beschreibt eine zarte, unwahrscheinliche Freundschaft
Es ist kein bequemer Ort, den sich das Mädchen ausgesucht hat. Tag für Tag versteckt sie sich im Park hinter den Büschen, wo sie von niemandem gesehen werden kann. Wenn sie dort an einen Baum gelehnt ihre Zeitschriften liest, pikt das trockene Gras und drückt die Rinde. Und dann kommt immer wieder dieser seltsame Mann in ihr Versteck, ein schrulliger Typ in einem schäbigen Anzug, nicht unbedingt der Hellste, vielleicht sogar ein bisschen gestört. Einer, der allen sofort ein bisschen peinlich ist und nur von Vögeln spricht. Die Namen der beiden erfahren wir nicht. Das Mädchen nennt ihn spöttisch „Alter“, er ist vierundfünfzig, könnte in ihren Augen aber genauso gut vierundsechzig sein. Er nennt sie im Gegenzug Quasi, denn sie ist fast vierzehn.
Miteinander verbringen die beiden im Park die Vormittage, sie futtern Chips, sie üben, Rotkehlchen von Finken zu unterscheiden, und sie hören Nina Simone, die verstörte, verstörende Sängerin und Ikone des Widerstands in den USA, die der Alte schon deswegen verehrt, weil auch sie in die Psychiatrie gesteckt wurde. „Cause your mama’s name was lonely, and your daddy’s name was pain.“ Man verfolgt die Begegnung der beiden Außenseiter voller Unbehagen. Was hat der Mann vor? Warum schickt er das Mädchen nicht zurück in die Schule? Wann tut er ihr etwas an? Quasi erscheint der Alte harmlos, ein bisschen verkorkst, aber nicht böse. Er weiß viel über die nutzlosesten Dinge, aber kaum etwas über das Leben. Ihr ist es recht. Er forscht sie nicht aus, sie kann ihm erzählen, was sie will.
Zuerst fantasiert sie sich ein großartiges Leben zusammen, in dem sie nicht unter ihrem dicken pubertierenden Körper leidet, doch nach und nach rückt sie mit der Sprache raus. Sie erzählt von den alltäglichen Gemeinheiten, die sie in der Schule ertragen muss, wo die gehässigste Schülerin den Ton angibt. Quasi wird von ihr nur „Brotgesicht“ genannt. „Cara de pan“ heißt der Roman auch im spanischen Original. Und die Lehrer machen alles nur noch schlimmer. Sie lassen nicht zu, dass Quasi sich fernhält von diesen Quälgeistern. Sich in die Gruppe einfügen, lautet die Parole, keine Extratouren. Gruppenarbeit fördert das Sozialverhalten. Eines Tages reichte es Quasi. Sie fabriziert ein Schreiben, um sich von der Schule abzumelden. Seitdem verbringt sie ihre Vormittage im Park.
Weiterlesen:
https://www.freitag.de/autoren/der-freit...will-er-von-ihr
Reset the World!
Beiträge: | 27.113 |
Registriert am: | 02.11.2015 |
Ein eigenes Forum erstellen |