Zensur aus Staatsräson
Denunziation, Ausgrenzung, Kündigung. Das sind die Methoden, mit denen unliebsame Meinungen gebrandmarkt, Menschen mundtot gemacht werden sollen. Mitunter wirkt das Vorgehen orchestriert, als sei es von langer Hand in Szene gesetzt. Im Zentrum meist der Vorwurf Antisemitismus. Schauplatz: ein Land, das Israels Sicherheit zur eigenen Staatsräson erklärt hat.
Dem früheren Moderator der KiKa-Sendung „Baumhaus“ im Kinderkanal von ARD und ZDF, Matondo Castlo, ist laut Berichten der Berliner Zeitung und der jungen Welt der Vertrag gekündigt worden.1 Der Grund: Er hat im Sommer 2022 an einem von der Palästinensischen Volkspartei ausgerichteten Jugendfestival in der Westbank teilgenommen. In sozialen Netzwerken tauchten Bilder von jugendlichen Festivalteilnehmern auf, wie sie gegen zionistische Siedlungen protestieren. Unter der Überschrift „KiKa-Moderator demonstriert mit Israel-Hassern“ schrieb Bild, Castlo habe an einem „israelfeindlichen Jugend-Festival“ teilgenommen und an der Seite „radikaler Steinewerfer“ demonstriert. Daraufhin meldete sich der Bundestagsabgeordnete Max Mordhorst (FDP) zu Wort. Wer sich „mit Israelhass und Antisemitismus“ gemein mache, habe im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nichts zu suchen. Und der CDU-Abgeordnete Philipp Amthor meinte auch, wer keine Bedenken habe, dass „Kinder für Israelhass instrumentalisiert werden“, der sei nicht geeignet, „in Deutschland den gebührenfinanzierten Bildungsauftrag zu erfüllen“. Der Sender rechtfertigte auf Kritik hin seine Maßnahme so: „Als Haus haben wir uns nach gewissenhafter Abwägung gegen eine Fortsetzung der Zusammenarbeit mit Matondo Castlo entschieden.“
Nach Hanno Hauenstein von der Berliner Zeitung ist das Farkha-Festival, an dem Castlo teilnahm, „ein Grassroots-Festival von zivilgesellschaftlichen Kräften, wo Lesungen und Touren durch die Westbank stattfinden, um die Lebensrealität von Menschen vor Ort begreifbar zu machen“. Jonathan Schamir von der israelischen Zeitung Haaretz klärte darüber auf, dass der Protest der Jugendlichen zunächst friedlich gewesen sei. Er habe sich gegen die fast wöchentliche Konfiskation von Land bei der Siedlung Beit Dajan gerichtet. Erst als die israelische Armee mit Gummigeschossen und Tränengasgranaten schoss, hätten einige Jugendliche mit Steinwürfen reagiert.
Wer verbringt wohl seine Zeit damit, Fotos von Demonstrationen auf der Westbank zu studieren? Nicht nur im Medienbereich, auch im Bereich von Kunst, Literatur und Theater oder im Hochschulbereich passiert es immer häufiger, dass irgendwelche Bilder, Tweets auftauchen, oft auch Unterschriften unter Protestschreiben oder Appelle, die Journalisten, Hochschullehrer, Künstler – zum Beispiel für einen Preis designierte Künstler – des angeblichen Antisemitismus verdächtig erscheinen lassen und so diskreditieren sollen. Der Reaktion der Institutionen liegt dabei die vom Bundestag abgesegnete Antisemitismus-Definition der „International Holocaust Remembrance Alliance“ explizit oder implizit zugrunde. Ihr zufolge können schon empörte Reaktionen auf Israels Politik oder die Unterstützung des palästinensischen Widerstands als Antisemitismus verstanden werden. Bei vielen Fällen gewinnt man den Eindruck, dass das israelische Ministerium für strategische Angelegenheiten die Regie führt. Aber das muss nicht sein.
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