Das mag ich, wenn du das magst, Leo.

Die neuen Fernen

In der Stratosphäre,
links vom Eingang, führt ein Gang
(wenn er nicht verschüttet wäre)
sieben Kilometer lang
bis ins Ungefähre.

Dort erkennt man weit und breit
nichts. Denn dort herrscht Dunkelheit.
Wenn man da die Augen schließt,
und sich langsam selbst erschießt,
dann erinnert man sich gern
an den deutschen Abendstern.

Jochim Ringelnatz

So was Dummes!

Sieben Söhne wachsen bei mir heran,
und jeder Sohn wird gewiß mal ein Mann.
und wie das so geht auf unserer Erden,
ein jeder will etwas anderes werden!

Hosenträger möchte der erste sein.
Schuhanzieher – das fällt dem zweiten ein.
Der dritte sagt: Korkenzieher, das finde ich Klasse!
Der vierte: Scheibenwischer, die braucht man un Masse!
Einer meint: Aktenordner werden gesucht.
Der sechste hätte es gern mit Anlasser versucht.
Und der Jüngste hat auch schon ein Ziel:
Ich werde Dauerlutscher, da verdient man viel!

Ich fragte mich nur: Wo führt das hin?
Zumal ich selbst gelernter Bettvorleger bin..

Hans Adolf Halbey

Sehr erheiternd.

Bekenntnis

Ich leide an Versagensangst,
besonders, wenn ich dichte.
Die Angst, die machte mir bereits
manch schönen Reim zuschanden.

Robert Gernhardt

Weils so schön war

Paulus schrieb an die Apatschen:
Ihr sollt nicht nach der Predigt klatschen.

Paulus schrieb an die Kommantschen:
Erst kommt die Taufe, dann das Plantschen.

Paulus schrieb den Irokesen:
Euch schreib ich nichts, lernt erst mal lesen.

Robert Gernhardt

Aus meiner Kinderzeit

Vaterglückchen, Mutterschößchen,
Kinderstübchen, trautes Heim,
Knusperhexlein, Tantchen Röschen,
Kuchen schmeckt wie Fliegenleim.

Wenn ich in die Stube speie,
Lacht mein Bruder wie ein Schwein.
Wenn er lacht, haut meine Schwester,
Wenn sie haut, weint Mütterlein.
Wenn die weint, muss Vater fluchen,
Wenn er flucht, trinkt Tante Wein.
Trinkt sie Wein, schenkst sie mir Kuchen:
Wenn ich Kuchen kriege, muss ich spein.

Joachim Ringelnatz

Märchen

Schneewittchen
vernascht
die sechs Zwerge
Völlig erschöpft schläft
es ein.

Ach wie gut dass
niemand weiß
grinst der siebte Zwerg und
nimmt den Spiegel
von der Wand.

Roswitha Klaushofer

Widernatürliche Liebe

In einem Computer: ein Atom samt Kern.
In dem wieder zwei: die hatten sich gern,
und zwar Positronen.
Wo sonst auch sollten die wohnen?

Ja, es war die reinste Liebe:
tiefstes Gefühl –jenseits der Triebe.
Allein die Physik...störte – und nicht zu knapp:
Denn kam man zusammen, so stieß man sich ab.

Klaus Mackowiak

Weibchen zu balzendem Geier

Jetzt schau ma, wo a Aas is –
des is amal die Basis.

Andreas Okopenko

Schweigen und Freude

Es ist viel Schweigen
zwischen Männern und Frauen.
Viel Fremdheit auch,
wenn sie einander beschauen,
und Kummer.

Es eint viel Freude
die, die sich lieben,
Frauen und Männer. Sie
lächeln und schieben
noch eine Nummer.

Robert Gernhardt

Bussard an der Bahnstrecke Ulm-Augsburg

Der Bussard ist ein stolzes Tier,
bei Jettingen liegt sein Revier

Dort sitzt er schwer im welken Gras
weil er, vermute ich, schon fraß

Ich blick auf ihn vom ICE
und denk an die, die ich nicht seh,

An Mäusevater, Mutter, Kind
die alle in dem Bussard sind

Und stumm entbiete ich dem Tier
ein eiliges "Hallo ihr vier!"

Robert Gernhardt

Der Säufer an den Vollmond

Warum mein lieber Mond, sieht Er
so hoch und kalt auf mich daher?
Doch wol nicht seiner Völle wegen?
O da bin ich ihm überlegen:
Denn Er, mein lieber, weiß Er wol?
Ist Einmal nur im Monat voll!

Heinrich Christian Boie

Fand meinen neuen Handschuh wieder

Als ich den einen verlor,
Da warf ich den andern ins Feuer
Und kam mir wie ein Verbecher vor.
Schweinslederne sind teuer.

Als ich den ersten wiederfand:
Shakes´hands, du lederndes Luder!
Dein eingeäscherter Bruder
Und du und ich - im Dreierverband
Da waren wir reich und mächtig
Jetzt sind wir niederträchtig.

Joachim Ringelnatz

Abgeklärter Dichter

Ob ich den X seinen Bucherfolg neide?
Die Welt ist doch groß. Sie hat Platz für uns beide.
Der nimmt mir doch nkichts, diese schmierige Kröte,
außer: Den Ruhm und die Frauen und die Knete.

Robert Gernhardt