Jahreswende
Tja, was gibt es zu berichten. Die Jahreswende hielt für uns noch einige Überraschungen bereit.
Am 21. Dezember war ich mit unseren beiden Hunden zur Impfung bei einer befreundeten Tierärztin nahe Toulouse. Ich wollte in ihrem Haus übernachten und am nächsten Tag nach Hause fahren. Wir hatten schon zwei Fläschchen Champagner intus, als ich eine SMS unserer Haushälterin Michelle erhielt: wir sind überfallen worden, auf Monsieur ist geschossen worden, aber alles in Ordnung.
Ich war augenblicklich stocknüchtern und rief sofort Michelle an, besetzt. Dann meinen Mann. Er ging nicht ans Telefon. Ich packte also meine Hunde ins Auto und düste los.
Nach einer Stunde vierzig erreichte ich unser Anwesen. Das große Eisentor stand offen und war verbeult. Und dann sah ich auch schon drei Wagen der Gendarmerie und den alten Landrover von Randolph.
Um die Tafel im Speisezimmer saßen quietschvergnügt mein Mann, Randolph, unser Freund Caporal Lagarde von der Gendarmerie nebst seiner sechs Hilfs-Sheriffs. Michelle servierte Rotwein und alle pafften Zigarren.
Dann erfuhr ich endlich, was vorgefallen war.
Gegen 8.30 Uhr bemerkte Michelle, die das Essen für meinen Mann zubereitete, zwei Typen auf dem Gelände. Mein Mann nahm den 38er S&W und trat durch den Seiteneingang ins Freie. Die Typen bemerkten ihn und kamen ihm mit Baseball-Schlägern entgegen. Die Aufforderung stehen zu bleiben ignorierten sie. Also stoppte sie mein Mann mit Schüssen in die Knie. Plötzlich tauchte ein dritter Typ auf, der mit einer Schrotflinte auf meinen Mann schoss. Durch die Wucht flog mein Mann nach hinten, schoss aber im Fallen noch auf den Angreifer. Traf aber nicht die Knie, sondern etwas höher, in den Genitalbereich. Mein Mann hatte im November eine Wirbelsäulen-Operation und muss für 3 Monate ein Plastik-Korsett tragen, was die Schrotladung glücklicherweise auffing.
Michelle hatte inzwischen Randolph angerufen, dann meinem Mann hoch geholfen. Der Typ, der seiner Kronjuwelen verlustig gegangen war, schrie und jammerte. Michelle ging in die Küche, holte die große eiserne Bratpfanne und schlug ihn damit ins Land der Träume.
Die beiden anderen Typen lagen nur rum und stöhnten.
Dann kam Randolph, sah nicht, dass das Tor geschlossen war und bretterte durch.
Randolph hatte in seiner Werkzeugkiste Kabelbinder, mit denen er die Typen erst mal fixierte.
Inzwischen hatte Michelle die Gendarmerie von dem Vorfall informiert, die auch kurz drauf bei uns eintraf.
Naja, die Gendarmerie bestellte noch einen Krankenwagen, der dann das Gesindel mitnahm.
Mittlerweile hatte Caporal Lagarde ermittelt, dass es sich bei den Dreien um zwei Algerier-Brüder aus Paris handelte und ihrem Cuison, der vor einer Woche aus Algier eingeflogen war.
Die Drei wurden schon gesucht, weil sie vor zwei Tagen einen Hof im Gers überfallen hatten und die Frau des Landwirts mit Baseball-Schlägern schwer verletzten. Neben Bargeld nahmen sie die Schrotflinte von dort mit, mit welcher auf meinen Mann geschossen wurde.
So war das, drei Tage vor Heilig Abend. Ach so, Caporal Lagarde beglückwünschte meinen Mann noch zu den präzisen Schüssen und meinte nur lapidar, hättest Du die Ölaugen umgelegt, hätte auch kein Hahn nach gekräht.
Heilig Abend haben wir ganz besinnlich zu Hause verbracht, ehe dann am Weihnachtstag ( in Frankreich gibt es nur den 25. als Feiertag ) das große Fressen einsetzte.
Wir hatten als Gäste natürlich Randolph mit seiner Tochter Jenny, das Ehepaar Lagarde sowie Michelle mit ihren beiden Söhnen sowie deren Ehefrauen.
Michelle hatte einen Turducken hingezaubert, so was bekommst du noch nicht mal bei den Cajun. Es war ein rundum gelungener Tag.
Am 26. Dezember feierten wir meinen 77. Geburtstag in einem sehr sehr feinen Restaurant in Biarritz. Auch dieser Tag bleibt mir unvergessen, wurde doch schon bei meinem Eintritt ins Restaurant der Song – Seventy Seven, Sunset Strip – gespielt.
Die Tage bis Silvester dienten der Erholung, ehe wir dann am 31. Dezember zur großen Party ins Casino nach Salies-du-Salat aufbrachen. Uns begleiteten natürlich Randolph mit Tochter Jenny und das Ehepaar Lagarde. Wir hatten einen Tisch in der Bar geordert, dort gab mein Mann jedem von uns 1.000 Euro mit der Auflage, wer am Wenigsten um Mitternacht übrig hat, muss zur Strafe die Zeche zahlen.
Ich wusste genau, worauf das hinaus lief. Bares Geld als Geschenk hätten Randolph und auch Jenny niemals angenommen. Aber so, die würden bestimmt nicht zocken.
Gegen 21.00 Uhr schnappte ich mir Randolph, nahm ihn mit an einen Tisch und sagte: Randolph, was soll ich setzen. Setz auf 25, das ist mein Geburtstag. Okay, sagte ich, 25 ist Rot, und ich platzierte meine 1000 Euro auf Rouge.
Es kam die 1 und ich hatte auf Rouge meine 1.000 verdoppelt. Danke Randolph, der Tipp war gut, ich teile mit Dir und gab ihm 500 in die Hand. Wäre schwarz gekommen, auch gut, dann hätte ich verkünden können, dass ich schon um 21.00 Uhr pleite gewesen wäre und die Zeche zu zahlen hätte.
Blickkontakt mit meinem Mann. Der setzte 1.000 auf schwarz, es kam schwarz. Er ließ liegen und es kam wieder schwarz. Er gab mir die 4.000 und erklärte sich für den Verlierer.
Schon um 10.30 Uhr teilte er unserer Gesellschaft mit, er wäre Pleite und übernehme die Zeche. Alle waren hoch erfreut. Jenny besaß noch ihre 1.000, Randolph 1.500, Madame Lagarde 1.200, ihr Mann 1.600 und ich 5.500. Es wurde noch ein sehr vergnüglicher Abend.
Randolph gab zum elfundneunzigsten Mal zum Besten, wie er den Khyber mit einer Gruppe von 20 Gurkhas erfolgreich gegen die Braunen verteidigte. Diese Geschichte hören wir seit Jahren und obschon jeder weiß, dass dies ein Ereignis von achtzehnhundertschnell war, applaudieren wir anschließend immer unserem Randolph für seine Heldentat.
Der erste Tag des neuen Jahres begann bei uns gegen den frühen Nachmittag. Nix erwähnenswertes mehr.
Am 2. Januar klingelte um 9.00 Uhr das Telefon. Jenny war dran und teilte uns unter Schluchzen mit, Randolph wäre eingeschlafen, für immer. Sie fand ihn heute morgen im Bett, er war einfach abgehauen.
Es folgten stressige Tage. Randolph hatte öfter erwähnt, er wolle unbedingt in Sussex begraben werden.
Wir sagten Jenny, sie solle sich keinen Kopf machen, wir würden das alles regeln und kommen für alle Kosten auf.
Am 9. Januar trafen wir in Uckfield ein, wo wir Randolph die letzte Ehre erwiesen.
Sein Grabstein wird eine bronzene Tafel erhalten mit der Inschrift:
Randolph Claridge
Upholder of Khyber
25. 03. 1933 - 02. 01. 2017
Das war es von unserer Jahreswende.
Was kostet die Welt - Ich nehm zwei.
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Dankeschön für die Schilderung deiner Erlebnisse, gute Babs.
Du hast also Weihnachten Geburtstag, da gratuliere ich noch nachträglich. Wir Hungerleider hier können mit sochen Geschichten leider nicht aufwarten, sind aber auch nicht neidisch und gönnen dir alle glücklichen Stunden, die du bekommen kannst.
Leider sind da auch immer die nicht so glücklichen mit dabei, aber die treffen auch alle.
Ich bin froh, dass du wieder gesund zurück bist und dass es euch gut geht und wünsche dir und deinem Mann ein gesundes und glückliches 2017.
Sirius
Reset the World!
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Langweilig war eure Jahreswende ja nun wirklich nicht, Babs. Aufregend, besinnlich, lustig, traurig ihr habt nichts ausgelassen von des Lebens Farben. Dass das neue Jahr ein Besseres wird, als es sich euch zu Beginn gezeigt hat
wünscht
Lotte
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morgen lächelt sie zurück.
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