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RE: Spiegel 35 vom 26.08.2017

#1 von Karl Ludwig , 08.10.2017 18:19

Interview mit Peter-Jürgen Book, ein Ex-Terrorist der RAF, Schleyer, Landshut, Ponto usw.

Überschrift: Du sollst nicht töten. Der Kern seiner Aussagen: Es ist voll Scheiße, ein Mörder zu sein.

Zur Erinnerung: Es war der 'Deutsche Herbst', 1977, als einige überdrehte Revolutionäre die Welt verbessern wollten, ob es ihr nun gefällt oder nicht.

Es gefiel ihr nicht! Und der ganze Spuk wurde mit der Selbstauflösung 1998 begraben. Es starben 54 Menschen. 33 Bürger, Personenschützer, Polizisten, Grosskopferte, und 21 'Genossen'.

Ich habe zu dieser Zeit einiges mitbekommen, und, wenn mich meine Erinnerungen nicht trügen, war ich einer der wenigen, welche diese RAF einfach nur bescheuert fanden. Der Ärger, den das auf den Hausversammlungen im 'Autonomen Arbeiterjugendzentrum' (lauter Studenten) einbrachte, war mir weniger wichtig denn meine Überzeugungen (Ja, ich finde es auch zum Kotzen, wie ich mich hier als souveränen, intelligenten und vor allem guten Menschen darstelle, aber so war es nun mal lt. meinen Erinnerungen. Viel wahrscheinlicher ist aber, dass ich einfach zu breit war, mich großartig zu ereifern). Als ich meinte: Falls Ulrike Meinhof, deren Pamphlete ich überhaupt nicht verstand, jemals bei mir klingeln sollte, hätte sie genau fünf Minuten Zeit, wieder zu verschwinden, andernfalls ich die BULLEN holen würde. Ich entkam unter lauten Venceremos Rufen meinerseits, aber gewaltiger Missbilligung durch die Anderen dem revolutionären Zorn der Schwulen- (rosa Winkel) und Lesbengruppe, progressiven Straßenbahnbeförderungserschleichern, den konspirativen Hausbesetzern, den KPDML'ern, der Nichtlesbenfrauengruppe, der betroffenen Nichtschwulen Männerheulgruppe (Der ich nicht angehörte, weil die Mitglieder solch ulkigen Einfälle in die Tat umsetzten, wie: Zwecks Verhütung die Klöten 20 Min. lang in ziemlich heißes Wasser tauchen), der Literaturgruppe (Nur subversive Lektüre wie: Stadtguerilla, Tipps für Illegale Genossen im Untergrund, Klau mich, so hieß ein Heftchen mit Tricks für das Arbeitsamt und wie man seine Identität wechselt) usw.

Ich war als Bildungsbürgermamasöhnchen eine Art Grenzgänger zwischen den unterschiedlichsten Kasten, kannte also DIE DA. Und DIE DA waren mir nicht nur unsympathisch, ich meine, das waren fehlerbehaftete Menschen wie Du und ich, aber in jedem Fall auch verantwortungsbewusster und weniger schwanzgesteuert.

Ich fand es nur enorm witzig, was in meinem Bekanntenkreis los war. Warum fast alle mit der RAF sympathisierten verstand ich erst Jahrzehnte später: Klare Trennung zwischen Gut und Böse, Keine Grautöne, Gruppendynamik, Suche nach Sinn, …

Das kannte ich doch von mir selber. Nur: Im Gegensatz zu den RAF-Mitgliedern fand ich es nicht! Aber wie sehr sehnte ich mich damals doch nach einer Fahne um die ich mich hätte scharen können.

Ich glaube, jede Generation sollte die vorgefundenen Wertmaßstäbe überprüfen, ob sie noch etwas taugen. Aber auch nicht bei den ersten Erkenntnissen 'Ich hab's' brüllen und womöglich zur Waffe greifen, schon dann, wenn es noch gar nicht nötig ist.

Ich sehe da Parallelen zwischen den heutigen Terrorgruppen und der RAF, auch wenn Book das nicht erkennen will: Allen Terroristen ist die felsenfeste Überzeugung zu eigen, durch Morde irgendwelche Aussagen zu unterstreichen wäre richtiges Handeln. Weil sie ja die Guten sind, dürfen sie einfach ALLES!

Übrigens, weil Ulrike meinte, Bullen wären Schweine und dürften erschossen werden: Ich hingegen kannte sogar NETTE BULLEN, mit denen ich auch schon mal ein Glas Bier trank. Dieses Land würde in den Händen meiner Genossen bestimmt nicht besser aufgehoben sein, als bei DENEN DA. Zugegeben, unser System, was immer das auch bedeuten mag, ist übelst und es wäre wirklich nett, wenn alle nett wären, nur, diese ganze Hysterie, diese Sympathien für Mörder … damals waren die meisten meiner Bekannten für Revolution. Und der Staat lieferte auch genügend Gründe für Eskalation. Die RAF hatte eine gewaltige Unterstützertruppe, ein großer Teil der Intelligenzija kokettierte doch mit Staatssystemen, jenseits der Demokratie.

Dass man in unseren Landen, im Gegensatz zu den Ländern nach einer Revolution: „Der Staat ist doof!“ brüllen kann, ohne gravierende Nachteile durch ebendenselben zu riskieren, dass Mao mehr Menschen auf dem Gewissen hat als Hitler, dass der wissenschaftliche Sozialismus nirgendwo auf der Welt lebenswertere Umstände schuf, usw. wurde einfach ausgeblendet. Ich warf auch schon mal den ein- oder anderen Stein. Der Verfassungsorgane operierten mit Provokateuren, um ihre Existenz zu rechtfertigen. Die Bullen waren hasserfüllt, Benno Ohnesorg wurde erschossen. Die Studentenrevolte wurde teilweise vom Destabilisierungsfond der DDR finanziert. Die Konkret, eine links angesiedelte Studentenzeitung, wurde mit mit fast 70.000,00 DM pro Ausgabe gesponsert.

Wir wurden mal wieder gründlich verarscht.

Und hier noch etwas Lustiges

http://cicero.de/kultur/bestattungen-der...-der-68er/58196


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RE: Spiegel 35 vom 26.08.2017

#2 von Sirius , 08.10.2017 20:33

Zu dem Link:

Eine Generation, die sich still und leise (und viele laut) ereifert, unbedingt wieder "Heil, Hitler" schreien zu können, hat es ja nötig, über die Alt-68er herzuziehen und zu verspotten.
Die RAF und Die BM-Bande waren einfach nur Terroristen. Keine Ideologie zum Anbeten. Wenn Menschen sterben, ist es nur hämisch, nach links oder rechts zu fragen. Oder die Opfer linker oder rechter Terroristen aufzuwiegen.
Ich weiß, wir unterscheiden gute und schlechte Toten. So sind alle Ami-Opfer vom Baby bis zur Oma "gute" und notwendige Tote. Das konnten wir erst vor ein paar Wochen wieder sehen.
Die tausende Toten unser Autoindustrie sind gute Tote, weil notwendig, eine Handvoll Tote auf einem Volksfest sind schlechte Tote. Kinder, die wir absaufen lassen, weil sie in unser Land wollen, sind gute Tote.
Wir haben ja für alles eine Schublade und bestimmen selbst, was gut und schlecht ist.

Dein Beitrag ist interessant, Karl Ludwig, etwas überraschend, aber gut zu lesen.
Ich danke dir!

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RE: Spiegel 35 vom 26.08.2017

#3 von Karl Ludwig , 09.10.2017 06:11

Was genau findest Du überraschend?

Dass ich ein Pazifist mit gebremstem Schaum bin? Mein verdecktes, grundsätzlich umstürzlerisches Wesen, das selbst die Revolte mit subversiven Überlegungen anfemt?

Ich sehe da keinen Unterschied in der Verbohrtheit, ob es sich nun um Maoisten, KPDML'er, RAF-Gefolgsleute, ISS'ler, rechte und linke Faschisten, oder sonst wen/was handelt. Die Idiotologie als solche trampelt alle ethischen Zäune nieder und plötzlich sind Tote durchaus ein Beweis für die ernsthafte Richtigkeit des wie immer auch gearteten Anliegens.

Allerdings weiß ich kaum, ab wann der bewaffnete Kampf sinnvoll sein könnte. Aber dass man nicht immer friedlich seine Interessen Leuten gegenüber vertreten kann, denen Gewalt ein süchtig machendes Adrenalinfest bedeutet, ist mir auch ersichtlich.

Interessantes am Rande: Die RAF mit weniger als 100 Toten insgesamt und die Folgen wie z.B. die Notstandsgesetze - und dagegen ein mittelmäßiges Massaker heutzutage. Massker gehören zu den wenigen Dingen, die besser geworden sind, effizienter, demokratischer - jeden kann es treffen, man muss gar nicht mehr dem Vorstand der Deutschen Bank angehören um für irgend eine richtige, womöglich heilige Sache umgebracht zu werden.

Aber was für ein Aufstand wegen einigen, - wenigen -, links orientierten Idioten. Ach, wenn unser Staat doch nur genau so vehement gegen die vielen, rechts orientierten Idioten vorgehen würde.

Hass, Dummheit, Egoismus, Gewalt! Unser biologisches Erbe lässt sich nicht leugnen und Moral, Vernunft, Wahrheit, Tafelsilber und all so Sachen, die eine Zivilisation erst ermöglichen, sind immer die ersten Opfer, wenn das Tier in uns von der Leine gelassen wird.

Ich kenne diesen rotgeäderten Zorn bei mir selber, aber ich schätze ihn nicht sonderlich. Er lässt freundlicher Weise auch langsam nach. Als Nachruf: Er ist mir fast immer ein schlechter Ratgeber gewesen.

Nun wird bestimmt jemand etwas von der Pflicht zum Widerstand erzählen und dass wir diese Welt nicht den Arschlöchern überlassen dürfen, im klassischen Macho-Stil (ja, es gibt auch Macho-Frauen): Man kann mich töten aber nicht besiegen.

Ich habe meine Illusionen schon lange verloren.


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RE: Spiegel 35 vom 26.08.2017

#4 von Sirius , 09.10.2017 19:02

Die Terroristen von heute aller Religionen sind samt und sonders Feiglinge. In einem Supermarkt eine Handvoll Menschen umbringen ist keine Kunst, ebensowenig Häuser abfackeln. Es trifft nicht jene, die eine Politik zu verantworten haben, es trifft unschuldige Bürger, harmlose Touristen. Die Terroristen von früher haben sich zumindest jene gegriffen, die selbst Leichen im Keller hatten, was natürlich ihre Tat als solche nicht rechtfertigt.
Wir leben in einer feigen und verrohten Gesellschaft, und wenn dir einer sagen will, dass du ein Arschloch bist, dann braucht er noch drei von Seinesgleichen zur Hilfe dazu.
Ich sehe das feige Gesocks ja täglich im TV, das nie etwas gesagt oder es ganz anders gemeint hat, wenn man sie stellt.

Ich erzähle dir nichts von der „Pflicht zum Widerstand“, du weißt selbst, wer für dich die Arschlöcher sind und ob du ihnen zujubeln oder sie verachten willst. Niemand sollte einem anderen einreden, etwas zu tun, auf das er selbst nicht kommt.
Deshalb sind wir auch seit Generationen so ein artiges doofes Volk von Mitläufern, die sich an ihren billigen Ausreden laben, wenn mal was schief geht.
Und du hast auch recht, dass Wut ein schlechter Ratgeber ist. Das vergesse ich manchmal, wenn ich solche Beiträge höre:

http://www.br.de/mediathek/video/sendung...olizei-100.html

Und das ist nicht die Ausnahme, wie man mir immer einreden will.
Tja, da nützt Widerstand natürlich nichts. Da muss man sich einfach fügen und sich in Dachau einliefern lassen. Sonst ist man natürlich ein linker Autonom. Oder was sonst soll man dem Opfer raten? Ei,ei, war doch nicht so schlimm, sind doch bloß Nazis, die sind doch zum Vergasen da, deshalb werden sie doch gewählt, du Dummerchen?

Du bist ein Pazifist, Karl Ludwig, und das glaube ich dir. Ich bin nur verbal radikaler, tue aber niemanden etwas zuleide und wenn rein theoretisch, dann auch jenen, die es verdient haben.
Überraschend fand ich nur Zeitpunkt und Thema, aber das war halt artikelbedingt.
Deine Ansicht ist doch völlig in Ordnung und zu respektieren, und deine Anmerkungen stimmen ja auch.

Sirius


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