Ich muss nicht immer karlauern. Vorsicht, ernstes Thema!
„Sag mal, merkst du denn gar nicht, dass der Typ dich Länge mal Breite ausnutzt?“
„Schon. Aber was soll ich machen?“
„Nichts mehr verleihen! Keinen Zucker, kein Geld, keinen Tabak und keine Schokolade.“
„Und dann?“
„Dann wird er dich vielleicht etwas weniger verarschen.“
„Schau mal. Der Typ zeigt Verhaltensweisen, die ich auch in mir trage: „Mehr! Für! Mich!“.
„Vielleicht. Aber Du bringst wenigstens immer alles zurück. Nicht 8,93 € anstelle von 10,00 €. Nicht ein halbes Paket Zucker gegen ein ganzes, keine Billigschokolade für Qualitätsware …!“
„Schon, ich gebe mir halt etwas Mühe, nicht in den Ruf eines Schnorrers zu geraten. Das würde mich wohl ziemlich ausbremsen. Ich habe mir aber früher wesentlich größere Klopfer geleistet, als lächerliche Pfennigbeträge unter den Tisch fallen zu lassen. Zu meinen Junkiezeiten war ich oft eine ziemlich linke Ratte: Genug ist nicht genug. Mehr von davon. Die Leute sind so dumm, die wollen doch ausgenommen werden, und im Prinzip geht es um einen guten Zweck. Z.B.: Mir Leiden zu ersparen, aber gesagt habe ich dann natürlich immer etwas Erpresserisches wie 'Mutter ist krank und ich will sie besuchen.' Ich habe meinen guten Charakter erst reichlich spät erkannt.“
„Also zeigt der Kerl Junkiebenimm.“
„Eher Heimkindsyndrom.“
„Ist doch egal. Man sollte dem Blödeimer klar machen, wie das Geben und Nehmen im Privaten funktioniert.“
„Indem man ihm immer mit Skepsis begegnet und üble Erwartenshaltungen zeigt, welche wiederum reflektiv … und du weißt schon, Erwartenserwartenhaltung … das verbessert wenig und überhaupt, wie groß ist das Problem überhaupt? Ich meine, wir reden hier doch bloß über gequirlte Babypisse. Selbst wenn er mich einen Fuffziger im Jahr kosten sollte, Mädchen, so viel sollte mir meine edle Gesinnung doch schon wert sein.“
„Und was ist mit deiner Würde, nicht als Blödmann da zu stehen?“
„Es macht mir nichts aus, als Blödmann da zu stehen. Schlimmer würde ich mich fühlen, wenn ICH mehr nehmen würde, als der Anstand gebietet.“
„Der ist doch nur ein Penner.“
„Ich bin auch ein Penner. Ich bin sogar mehr Penner als der. Der geht immerhin arbeiten und hat aufgrund seiner Schulden kaum mehr als den Sozialhilfesatz. Und das Restgeld gibt er für seinen abgöttisch geliebten Sohn aus, - und benutzt ihn auch nicht als Ausrede, im Gegensatz zu mir, der ich früher gerne Onkel Günter gegenüber behauptete. „Milupa, Karnivativum gegen Blähungen, neue Klamotten. Kinderwagen.“
„Echt?“
„Völlig abgebrüht. Der Junk macht aus jedem ein Charakterschwein. Aber der Heini junkt nicht. Und so ein wenig Schummeln am Rand macht aus ihm noch lange kein übles Arschloch.“
„Sooo viel Verständnis?“
„Ja. Aber letztendlich für mich. Ich verstehe mich ein wenig besser. In gewisser Weise ist er ich!“
„Bitte?“
Meine Güte: Alle Menschen sind ich!“
„Ach? Ja? Mein? Kleiner? Jesusverschnitt?“
„Ach JA!“
Zehn Weise können nicht einen Idioten ersetzen!
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Doch, du musst immer karl-auern, Karl-Ludwig, das ist lustiger und die Themen sind ja auch viel wichtiger als philosophische Gespräche über alle anderen Menschen, die du ja auch bist.
Wahrscheinlich bin sogar ich du, zumindest was den gemütlichen Teil angeht.
Ansonsten bin ich ja eher bescheiden, mit anderen Worten: schwach.
Und es reicht doch, wenn das einer von uns beiden ist.
Sirius
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Lieber Sirius,
das ist kein Karlauer, wenn ich mir Gedanken mache, wie viel vorausblickendes Verständnis für charakterliche Entwicklungsprozesse richtig ist. Wir werden nicht als Altruisten geboren, sondern als eigennützige … äh, Egomanen. Kooperation ist Bedingung und Ergebnis von Kultur, Zivilisation, Fortschritt, Frauenrechten, Umwelt und anständigen Steaks. Ja, allerdings, nur, was können Wale schon mir Menschenrechten anfangen?
Wenn ich bei diesem Spielchen, korrekte Wechselkurse für gegenseitige Gefallen auszurechnen, lieber etwas draufzahle als zum Penibelissimo zu mutieren, natürlich auch aus ausschließlich egoistischen Gründen, - ich mag mich halt lieber etwas großzügiger -, und wenn ich nicht gleich in Wallung gerate, weil jemand versucht mich abzuzocken, und wenn ich dann nur denke: 'Na, du armes Schwein, du scheinst es ja echt nötig zu haben', (ich kann Schachtelsätze, an deren Ende ich selber ganz verdutzt gucke, was ich überhaupt meine) was sollte denn daran verwerflich sein? Auch irgendwelche Nassauer, die mir am Bahnhof irgendwelche Geschichten erzählen bekommen einen kleinen Obolus. Kein Wunder, wenn mich meine Pestomonsterin für bescheuert erklärt.
Na und?
Da fällt mir ein: Dir schulde ich auch noch einige Gefallen. Vielleicht komme ich mal nach Berlin und wir siriusly karlauern bis man uns rausschmeißt und ich bezahle dann die gemeinsame Nacht in der Gummizelle? Oder doch ein echtes Steak vom Könner, der darauf spezialisiert ist, als Referenz an Kultur und Zivilisation, Fortschritt, Frauenrechten, Umwelt ...
Man kann sich nämlich auch seine Moral
durch Neigung zum Laster erwerben.
Denn wir zahlen alle und zwar jedes Mal:
DAS lässt uns anständig werden.
Zehn Weise können nicht einen Idioten ersetzen!
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Lieber Karl-Ludwig,
ich erzähle dir auch gerne irgendwelche Geschichten gegen einen kleinen Obelix, aber du musst nicht extra zum Bahnhof hin (Ihr habt einen Bahnhof??), sondern wir können das ganz bequem am Bildschirm erledigen.
Wenn du aber unbedingt zum Bahnhof möchtest, um hartgesotten einen Zug zu besteigen, weil du keinen Trecker hast, dann fahre nicht nach Berlin!
Ich wohne dieses Jahr im Ruhrgebiet, weil Halle/Saale doch etwas gewöhnungsbedürftig ist und man mich als Führer nicht wollte.
Wer Berlin besucht, gilt automatisch als vorbestraft, weil Berlin ja die größte deutsche kriminelle Vereinigung ist.
Gummizellen und Klapsen haben wir hier auch, die werden auch dringend benötigt, leider von den Falschen belegt.
Oder ich komme auf ein echtes Steak vom Tier zu dir, vielleicht kann ich das als Dienstreise deklarieren. Hast du zufällig einen Garten?
Und deinen Vierzeiler möchte ich gerne übernehmen für die „Kurzlyrik“. Ich finde ihn sehr gelungen.
Sirius
Reset the World!
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1. In Berlin war ich schon einmal, hätte aber nie angenommen, dass dieses eine Charakterschwäche bedeutet.
2. Die Kurzlyrik geht über mehrere Strophen:
Weil mir aus Alters- und anderen Gründen
nicht mehr so doll nach Sündigen ist,
musste ich mir was Anderes finden
zum Zeitvertreib: Ich wurd' Moralist!
Man kann sich nämlich auch seine Moral
durch Neigung zum Laster erwerben.
Denn wir zahlen alle und zwar jedes Mal:
DAS lässt uns anständig werden!
Wer Vormals voll Stoff gesündigt hat
kann Anstand erst richtig begreifen.
Dann sündigt er Anstand, ich finde das hat
wenigstens Stil! Ihr Pfeifen!
Hatte ich aber bestimmt schon mal hier hingepappt. Ich finde, dieses Gedicht ist Eines von meinen Besseren. Bis auf die letzte Strophe, dir ist viel zu frech. Dieses Smily ist für alle, die nicht wissen, wann sie zu lachen haben. Und das ist für mich!
3. Und was für einen tollen Garten ich habe! Wildwuchs, aber für meine ... äh ... ganz dolle wichtig und sehr arbeitsintensiv. Mit ganz vielen Zecken, toten Hummeln, Giftwolken und sogar ein bis zwei Schmetterlingen. Wir sind hier von intensiv genutzten Feldern umgeben.
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Die zweite Strophe habe ich bereits in der Kurzlyrik übernommen (schon vor Stunden).
Alle drei Strophen sind ja keine Kurzlyrik mehr, aber du kannst es ja noch gesondert einstellen.
Mir gefällt auch der Reim auf "Begreifen" sehr gut.
Und ich liebe Wildwuchs, nur gepflegt muss er sein.
Vielleicht schaue ich mal im Winter vorbei, wenn es nicht so heiß ist. Falls ich diesen Sommer überlebe. Entweder in der Hitze oder vor dem Laptop, meine Alternativen sind da sehr bescheiden..
Hauptsache, alle sind glücklich, da muss ich es ja nicht auch noch sein.
Und danke, dass du nochmal geantwortet hast!
Sirius
Reset the World!
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