Der Kartenmensch
Ausruhen auf der Rolltreppe.
Die Leben huschen vorbei, stumm und eilig.
Nur die Registrierten laufen umher,
Die Halle voller Gedanken, noch
unvermarktet, ein Rest von Leben.
Die Toten werden im Kopf beerdigt,
erstehen auf in Erinnerungen,
immer und immer wieder.
Der Kartenmensch ist unterwegs,
steigt über die Abgehängten,
will nicht ihre Klagen hören.
Ich finde die Menschen nicht mehr,
hab sie nur noch im Kopf verwahrt.
Sicherheitsdienste passen auf,
dass sich niemand empört.
Wie frisch gezüchtet, in alten Kleidern,
immer vernetzt, den Finger auf dem Display,
schnaufend wie aus Zukunftsgeschichten
entsprungen, vergnügt sich der Kartenmensch
mit den Daten der anderen,
stolz auf die Nummer, die er im System ist.
Eingetauscht hat er Herz und Verstand
gegen sein öffentlichen Leben in einer Datenbank.
Wo sind sie hin, die Lebenden mit ihren
unregistriertem Lachen, mit ihren Tränen,
mit ihrer Menschlichkeit?
Verkauft haben sie sich wie billige Huren,
ausgeschlachtet wie Vieh,
ließen sie Mensch und Freiheit begraben.
Der Kartenmensch hetzt durch die Halle,
von der Decke die Fäden ihrer Obrigkeit.
Sirius
Reset the World!
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Marionetten...
Wunderbar auf's Korn genommen.
Und mit deinem Siriusischen, unnnachbaren Worten geschrieben.
Klasse - Lesezeichen!!!
Jonny
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Eigentlich wollte ich mehr dazu schreiben.
Aber manchmal fehlen mir die passenden Worte...
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Irgendwie musste ich an "Das kalte Herz" denken, nur aktueller natürlich.
Sehr gut auf den Punkt gebracht, Sirius, und so erschreckend real.
Lieben Gruß
Leo
Schreiben macht schön.
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Du schreibst mir aus der Seele, Sirius.
"Ich finde die Menschen nicht mehr,
hab sie nur noch im Kopf verwahrt."
Und leider! leider? immer noch im Herzen.
LG, Jörn
Nicht erst morgen, heute komm zum Rosengarten. (Pierre de Ronsard)
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Ja, genau, Jonny: Marionetten! Zugegeben, vieles können wir in der Gesellschaft, die wir uns selbst geschafft haben, nicht mehr verhindern, aber freiwillig müssen wir nicht alles wegschmeißen, nur weil es vermeintlich bequemer ist. Ich danke dir ganz herzlich für dein Lesezeichen!
Liebe Leo, "Das kalte Herz" ist für dieses eher böse Gedicht ein schönes Kompliment. Und noch schöner ist, dass wir der gleichen Meinung sind und uns das Menschsein bewahren wollen.
Ich danke dir ebenso herzlich!
Ja, weegee, im Herzen sollten auch die Menschen sein, die wir kennen und mögen. Zumindest wir hier bei Tacheles haben noch bei aller Frotzelei auch die Herzenswärme, die unsere stillen Stunden wärmt.
Herzlichen Dank auch dir!
Sirius
Reset the World!
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