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RE: Ein Lebenslauf

#1 von Sirius , 20.11.2018 20:07

Ein Lebenslauf

Wegen partieller Lieferschwierigkeiten verzögerte sich meine Geburt 1952. Ich wurde ein Jahr zurückgestellt.
Im Alter von sieben Jahren machte ich meine ersten Nahtraumerfahrungen: Frau Antje aus Holland besuchte mich jeden Morgen mit dem Fahrrad und setzte sich zu mir aufs Bett. Leider in voller Montur.
Am nächsten Tag wandte ich mich von der christlichen Lehre ab und glaubte nicht mehr an den Weihnachtsmann.

Mit zwölf Jahen machte ich mich über Klopfzeichen bei meinen Eltern bemerkbar. Die verbaten sich das und warfen mit einer leeren Flasche Korn nach mir.
Mit 16 zog es mich in die Ferne. Da blieb ich dann auch.

Nach einer zweitägigen Lehre als Kaufmann entschied ich mich doch für das populäre Absolvieren. So absolvierte ich einen längeren Grundkurs in digitaler Technik, der aber nicht angeboten wurde, sodass ich ihn mir selbst beibringen musste.
Bei der Klassenlotterie gewann ich ein Stipendium für das Bahnfahren und machte meine ersten Versuche zwischen Nürnberg und Fürth.

Bei der Bundeswehr lernte ich erste Mutanten kennen, die mir seither immer wieder begegnen. Wenn du nicht singen kannst, dann musst du nur Springerstiefel anziehen und schon wird dein Gegröhle als lieblicher Gesang bejubelt.
Immerhin: Der Umgangston war wesentlich ziviler als im katholischen Kinderheim.
Und: Wenn du auf Demokratie stehst, auf freiheitliches Denken und Aussprechen von Wahrheiten, dann bist du in diesem Land falsch.

Danach versuchte ich kurzzeitig eine Wiedergeburt, die misslang aber.
Frustriert wandte ich mich dem Ballontanz zu. Der enthält viele spirituelle Elemente vom Ballett, verlangt aber höchste Aufmerksamkeit, wenn man ihn mit Händen voll schmutzigen Geschirr vollführt.

1975 hielt ich wissenschaftliche Vorträge an der Universität in Bitterfeld, jeden Mittwoch Mittag als Gastesser in der Kantine. Berühmt sind die Sirius-Thesen, die Parallelen zwischen Autisten und Professoren herstellen.
1977 erste Erfahrungen als Modell für Wimmelbilder, nachts tätig als Somnambuler (musst du googlen!).
1980 beklemmendes gesellschaftrelevantes Poppen in katholischen Kreisen mit Talarstudien und zeitgenössischen Bibeltexten („Komm gut nach Hause..“)
Wenn du Gott nach Nazis fragst, bekommst du keine Antwort. Musst du mal darauf achten.

1985 Aufmerksamkeitstraining beim Betrachten von Sonnenuntergängen, danach zwei Jahre in der Freudenlegion.
1988 erste Begegnung mit Hermann, dem osmanischen Teufel. Transzendentales Quartals-Gedächtnis-Saufen zur Vorstufe der nächsten Wiedergeburt. Ich versagte kläglich nach achtzehn Bier und drei Jägermeistern.
Dann eine lange Phase der Resignation über die Leere des Kühlschranks.

Im Jahr 2000 gründete ich meinen ersten Staat. Leider war der Mietvertrag nicht verfassungsreform und endete unerwartet nach der Ernennung des Ministers für Rauchwaren und sonstiges Gedöns.
Ein Jahr später wurde ich Vater, ich weiß nur nicht, bei welcher Mutter.
2002 Ping-Pong Bezirksmeister auf dem Commodore 64.

2004 komplett weggestreichelt, das geht auf keine Kuhhaut.
Die nächsten Jahre verbrachte ich mit künstlerischen Anwandlungen: Das Aussägen von Aquarellen, Verwesungslyrik und mentale Buchführung, Malereien mit Pinseläffchen, Birnenkern-Statuen von Helmut Kohl, esoterisches Schreiben für Bedarfslose, Malen nach jeder Nummer, auch als Malen nach Bezahlen bekannt.

Sei 2015 komplett dem Wahnsinn verfallen, um mich gesellschaftlich anzupassen, nachdem ein weiterer Versuch meiner Wiedergeburt misslang und ich um ein Haar den dritten verdreckten Diesel in Folge gekauft hätte, in dem man aus Gründen der Umwelt nicht rauchen darf. Seither arbeite ich als Avatar in einem Forum, das nur aus Gästen besteht, die mich hauptsächlich um Kommentare anpumpen.

Sirius


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RE: Ein Lebenslauf

#2 von Jonny , 20.11.2018 20:28

Herrlich, Sirius.
Ein richtiges Feuerwerk!
Und Somnambuler hab ich gegoogelt. Aber ich verrat nichts. Haha.
Wenn ich irgendwann mal ein paar Siriusische Bewerbungsschreiben brauche, weil ich nicht mehr arbeiten möchte und Stütze kassieren will, dann wende ich mich vertrauensvoll an dich.
Du hast einen so wunderbar trockenen Humor, dass es schon weh tut beim Lachen.
Wunderbar geschrieben, in einer genialen Wortwahl!

Jonny

 
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RE: Ein Lebenslauf

#3 von Sirius , 20.11.2018 22:26

Ich danke dir ganz herzlich, Jonny, für deinen tollen Kommentar! Es ist schön, dass du meinen Humor verstehst und ihn magst. Andere finden das gar nicht lustig und würden mich lieber einsperren.
Und ich freue mich natürlich emsig, wenn jemand über meinen Quatsch lachen kann.
Nochmals Danke!

Sirius


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RE: Ein Lebenslauf

#4 von scrabblix , 20.11.2018 22:56

Mit diesem phantastischen Lebenslauf bekommst du jeden Job, Sirius. Ein jeder sieht gleich, du bist zu allem fähig.


Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.

 
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RE: Ein Lebenslauf

#5 von Sirius , 21.11.2018 20:05

Ach, Lotte, das ist lieb von dir! Die Momente des Schreibens werden auch immer weniger, da bin ich froh, wenn mir mal was gelingt und dann noch so tolle Kommentare bekomme!

Sirius


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