Ein seltsam ätherisches Mädchen
Von der Muse aus dem Takt gebracht: In seinem Roman „Vorübergehende“ widmet sich Michael Krüger einer skurrilen Wohngemeinschaft und dem trostlosen Zeitgeist.
Roman steht drauf, Kolumnen sind drin. Und die klingen so: „Als ich vor fast fünfzig Jahren mit meiner Tätigkeit anfing, mussten wir uns noch der deutschen Sprache bedienen, heute sind wir als Consulter-Experten für Work-Life-Balance und Personal Branding unterwegs.“ Michael Krügers Ich-Erzähler ist Motivationscoach, beschäftigt sich aber lieber mit Kulturkritik. Nichts entgeht seinem sezierenden Blick, das goldlaminierte Smartphone kommentiert er genauso in Grund und Boden wie zu Fußgängerzonen umgemodelte Bahnhöfe. Manager, die keine Bücher lesen, sondern lieber deren Verfilmungen anschauen, werden mit derselben Hingabe heruntergeputzt wie Flachbildschirme, selbstfahrende Autos und die „digitalen Metastasen“, von denen ständig in den Zeitungen zu lesen sei.
Die Suada gegen die Geistlosigkeit der Gegenwart gerät dem Erzähler so gepfeffert und allumfassend, dass man sie kaum ernst nehmen mag. Das ist schade, denn viele gute Beobachtungen gehen in der Hitze der Dauererregung leider unter. Mode: „Mittlerweile sehen ja fast alle Kinder ähnlich aus und unterscheiden sich nur noch durch die Aufschriften auf ihren T-Shirts.“ Architektur: „Der Potsdamer Platz war nichts anderes als ein Mahnmal der exklusiven Hässlichkeit.“ Deutsche Bahn (aus Platzgründen in Stichworten): Personen im Gleis, nicht zu öffnende Fenster, dummdreister Schaffner, dummdreistere Fahrgäste, Verspätung, verpasste Anschlusszüge. Auch wer Krügers Buch nicht gelesen hat, ist über all dies im Bilde, weil es sich um Offensichtliches, allenthalben Beklagtes oder am Stammtisch längst Besprochenes handelt.
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https://www.faz.net/aktuell/feuilleton/b...e-15914382.html
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