Gelassenheit
Bis zu meiner Scheidung war ich eigentlich immer ein ausgeglichener Mensch. Auch ordinäre Ausdrücke waren mir fremd. Aber dann lebte ich alleine und musste eines Tages so eine verfickte Frischhaltefolie von der Rolle kriegen – und damit begann mein moralischer Abstieg.
Denn kurz darauf versuchte ich, so ein elendes Spannbetttuch aufzuziehen und fühlte entsetzt, dass ich den Hang zum Terroristen in mir spürte.
Schon wenn ich „Spannbetttuch“ mit drei „t“ schreiben muss, ist es mit meiner Beherrschung vorbei, weil ich weiß, das ist nur den Doofen geschuldet. Wir sind das einzige Land, das seine Rechtschreibung an der Dummheit der Kinder anpassen muss, weil wir selbst zu blöd sind, ihnen was beizubringen.
Nun, ich arbeite an meiner Gelassenheit, bekomme aber oft Rückfälle. Zum Beispiel, wenn Frauen Fußball kommentieren, anstatt zu bügeln (dafür bekomme ich jetzt einen virtuellen Verweis, ich weiß!). Oder wenn mir im Bad eine Zahnbürste runterfällt und drei Stunden später steht aufgrund unerklärlicher Kettenreaktionen das halbe Viertel in Flammen.
Ich weiß auch nicht, warum die verpissten Plastiktüten in der Obstabteilung bei Edeka nicht auseinanderzufrickeln sind oder wo ich ein verdammtes Kochrezept finde, in dem am Schluss steht: „Zuletzt leicht anbrennen lassen“.
Wenn ich dann durch die Tücken des Alltags abends schier verzweifelt bin, setze ich mich einfach mit einem Glas Rotwein aufs Sofa – und schütte es um. Danach ordere ich auf der Stelle über Heckler & Koch die neuesten Sprengstoffgürtel.
Aber ich genieße auch die Momente, in denen der Pullover beim Anziehen auf dem Kopf feststeckt und ich denke: Ach, ist das schön warum und dunkel, hier bleibe ich noch ein wenig, bevor ich ausraste.
Und warum muss ich sämtliche Küchenfliesen wischen, nur weil ich einen Eierbecher ausspülen will? Weil das verschissene Ding spritzt wie Hulle, wenn der Wasserstrahl auf ihn trifft.
Ich lebe aber gerne alleine, weil ich solche Szenen vermeiden möchte:
„Apfel?“
„Nein, danke.“
„Echt nicht?“
„Nein.“
„Sind aber lecker.“
„Nein, danke.“
„Na, ich leg dir mal einen hin.“
Ich möchte nicht fortwährend in einem Loriot-Sketch leben.
Ich bin auch nicht mehr gesellschaftsfähig. Wenn ich jemanden besuche und komme ins Kinderzimmer, wo eine kleine Kaufmannskasse steht, dann muss ich sofort damit spielen und rufen: „Karl-Ludwig, was kosten nochmal die Kondome?“
Manche Pedanten haben auch im Bad nummerierte Kloblätter. Designer-Klopapier für fünf Euro vom Netto. Da steht dann auf dem Blatt 198. Und wenn ich fertig bin 122! Ich hasse es, wenn ich selbst beim Kacken noch überwacht werde!
Es gibt einfach zu viele Dinge, an denen meine Gelassenheit scheitert. Das fängt schon früh morgens an. Und leider gibt es diese beschissenen Tage auch zum Mitnehmen.
Sirius
Reset the World!
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Ich weiß, Sirius, das ist nicht lustig, trotzdem habe ich Tränen gelacht. Wenn es das HB-Männchen noch gäbe, wärst du der perfekte Sketch-Autor.
Lachende Lottegrüße
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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Das glaube ich auch, Lotte. Alleine aus meinem eigenen Erlebnisfundus könnte ich eine Flotte HB-Männchen in die Luft gehen lassen.
Aber wichtig ist nur, dass du hast lachen können. Dann haben sich alle Missgeschicke gelohnt.
Ich danke dir.
Sirius
Reset the World!
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Einfach herrlich deine Gelassenheit.
Ich benutze aus Sparsamkeitsgründen das Toilettenpapier von beiden Seiten.
Der Erfolg liegt klar auf der Hand...
(Hab ich mal irgendwo gelesen, nun fiel es mir wieder ein.)
Aber es tut doch gut, wenn man noch über sich selbst Lachen kann.
Und andere damit ansteckt...
Und wenn es heute wieder Missgeschicke regnet,
der gute Rotwein auf dem Sofa sich's gemütlich macht,
wenn unser Papst die gottverfluchte Menschheit segnet;
ich hab mal wieder schelmenhaft gelacht.
Denn du hast einen tollen Text daraus gemacht!
Wünsch dir ein Atomfreies Osterfest, Sirius.
Jonny
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Danke, Jonny! Du sitzt also auch alleine zu Ostern zuhause, während die Damen zum Hormonaustausch ans Meer sind.
Und danke für dein passendes Gedicht! Ich bin im Moment sehr gelassen und genieße die Stille.
Herzlichen Dank für deinen tollen Kommentar!
Sirius
Reset the World!
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Ein klasse Text, lieber Sirius zum Weglachen, herrlich, denn das brauche ich jetzt gerade so sehr.
Humor ist, wenn man trotzdem lacht. (Nicht über dich, aber gern mit dir!)
Leogrüße ins Wochenende
Schreiben macht schön.
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Dann freue ich mich, Leo, wenn dir der Text gut getan hast und wenn du lachen konntest.
Danke für deinen lobenden Kommentar!
Sirius
Reset the World!
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