WAWERZINEKS „LIEBESTÖLPEL“
Ein armer Vogel, nicht zu heilen
Auf den Mutterverlust folgt eine schwierige amouröse Biographie: Peter Wawerzineks „Liebestölpel“ ist ein weiterer Roman über eine Verlorenheit, von der es keine Erlösung gibt.
„Mein Leben lang bin ich zerstört, fühle mich von allen Menschen verlassen, atme auf, fühle mich frei.“ In der vermeintlichen Widersprüchlichkeit dieses Satzes offenbart sich das ebenso verzweifelte, liebesdürstende wie flatterhafte Wesen von Peter Wawerzineks auch in dessen jüngstem Roman „Liebestölpel“ unverkennbar autobiographisch grundiertem Erzähler-Ich. Nicht nur die gefiedernahen Titel sind geblieben von Vorgängerromanen wie „Rabenliebe“ und „Schluckspecht“, auch das Schicksal des Protagonisten, der, wie sein Autor, von der Mutter, die in den Westen floh, zurückgelassen wurde und in einem Waisenhaus in der DDR aufwachsen musste.
Der Vogel steckt auch in Wawerzineks jüngstem Roman nicht nur im Titel, sondern wird zum Sinnbild. Der Tölpel zeichnet sich – ähnlich der im Roman als in ihrem Beziehungsverhalten als äußerst kompliziert beschriebenen Trottellumme – durch den ungeschickt und wacklig anmutenden Gang auf festem Boden aus, wohingegen er ein exzellenter Segelflieger ist. Ähnlich steht es um den Erzähler, der in einem mit Märchen- und Liedgutgirlanden durchzogenen Präsens durch die Jahre und Jahrzehnte seines Lebens rast und der in ebenjenem ins Straucheln gerät, sobald der Stillstand droht. Ob nun sein Verdingen als Hilfsarbeiter, seine ersten Schritte als Schriftsteller oder der Untergang der DDR – Wawerzineks Erzähler stürzt durch die Ereignisse.
Vielleicht ist „Liebestölpel“ der tragischste der drei Romane Wawerzineks, und das nicht etwa, weil sich an den Mutterverlust eine punktuell erfüllte, aber immer wieder sich entziehende, abbrechende Liebe anschließt. Lucretia heißt die Angebetete, die im selben Heim wie der Erzähler aufgewachsen ist. Ein Schicksal, das die beiden lebenslang verbindet, wenngleich Lucretias Rastlosigkeit noch weitaus stärker zu sein scheint als die seine. Schon als Kind wird sie für ihn die ewig enteilende Verführerin: „Ich bin auf meinem Dreirad unterwegs, setze den Zöpfen nach. Feste Zöpfe. Glänzende Strippen an ihrem runden Kopf, wie bei hoppelnden Häschen. Sie läuft mir voraus mit ihrem Lachen. Die Zöpfe rufen mir zu: Fange uns ein! Wie hundert Münder nicht rufen.“
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