Lyrik als Abwehrzauber gegen schwarze Magie
Der tollste Lyrikband des Jahres stammt aus einem Luna-Park: Die junge Dichterin Maren Kames heult verzweifelt den Mond an, übersetzt „Forever Young“ und verbindet Literatur und Popkultur auf zeitgemäße Weise.
Bei Smartphones kann man die Bildschirmanzeige auf den Dunkelmodus einstellen. Dann kehrt sich das Verhältnis von Schrift und Hintergrund um; jeder Text wird weiß auf schwarz geschrieben. Der dunkle Nachthimmel, von dem Mond und Sterne herabscheinen, ist ein uralter lyrischer Topos, bei dem auf die Gesetze der Logik mit Leichtigkeit auf den Kopf gestellt werden.
„Dunkel war’s, der Mond schien helle“, so beginnt das bekannte Kindergedicht voller Paradoxien. Wo sich Hell und Dunkel verkehren, ist auch das Verhältnis zwischen Ratio und Gefühl beziehungsweise Trieb betroffen. Im Vollmondlicht werden zerstörerische Leidenschaften und finstere Begierden entbunden, wovon alle Vampir- und Werwolfmythen erzählen.
Der neue Band der 1984 geborenen Dichterin Maren Kames, „Luna Luna“, ist durchgängig mit weißer Schrift auf schwarzem Papier gedruckt. Er ist ein optisches und haptisches Gesamtkunstwerk, eingebunden in schwarz schimmerndes Comtesse-Leinen, ein buchgestalterisches Meisterstück aus dem Zürcher Secession-Verlag. Das ist mehr als eine Äußerlichkeit: Denn Kames’ Verse stammen aus jener der Sonne abgewandten Seite der Existenz, aus dem „Mondgebiet“, in dem die Sprache zu träumen beginnt und das seit jeher das genuine Reich der Dichtung ist. Zumal jener, in der von der Liebe die Rede ist.
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