Spätes Lied
Nun sich die Steige verfärben
und sich die Helle verzieht,
zähl ich am Stecken die Kerben,
sing ein verspätetes Lied;
höre den Fraß im Gemäuer,
hör, wie die Zeit mir verrinnt,
lausche dem sinkenden Feuer
und in den Bäumen dem Wind.
Stillstes mit mir still zu teilen,
litt es die Liebste nicht mehr;
wo mir die taumelnden Zeilen
enden zur Nacht, gähnt es leer.
Nichts bleibt - und viel war mir teuer -
nichts, nun die Zeit mir verrinnt,
nichts als das sinkende Feuer
und in den Bäumen der Wind.
Längst hat mein Land mich vergessen,
was mir auch hier keiner hört,
wills mich zu singen vermessen
ihnen nur, die es nicht stört;
sing ich dem Fraß im Gemäuer,
sing ich der Zeit, die verrinnt,
sing ich dem sinkenden Feuer
und in den Bäumen dem Wind.
Theodor Kramer
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