Die große Ungeduld
Wir leben in einer Gesellschaft, die stets um den besten Weg ringen sollte. Da ist Gehorsam keine Tugend, sondern eine Gefahr
Hier ein Überblick über die neuen Corona-Verordnungen: „Ab null Uhr herrscht Maskenpflicht für die Sternzeichen Jungfrau, Waage und Wassermann und für alle Volvo-Fahrer, außer wenn sie grüne Socken tragen. Die Maßnahme gilt nur von 18.00 Uhr bis 21.30 Uhr, vorausgesetzt, Sie fahren einen Audi mit einer 17 im Kennzeichen. Wenn Ihre Hausfarbe gelb ist, dann dürfen Sie nicht aus dem Haus, außer es steht auf der rechten Straßenseite. Die Ausnahme entfällt jedoch, wenn ein Parkplatz davor ist.“
Der österreichische TV-Journalist Ferdinand Wegscheider hat die Lage im vergangenen Oktober so zusammengefasst. Man sieht, sehr viel weiter sind wir seitdem nicht gekommen – abgesehen davon, dass wir nun in weiten Teilen des Landes zwischen 22 Uhr abends und 5 Uhr morgens nicht mehr aus dem Haus dürfen, es sei denn, man ist allein, dann darf man bis Mitternacht draußen sein, aber nur, wenn man spazieren geht oder joggt. Wer noch später rauswill, braucht einen Hund. Wer das nicht lustig findet, ist selber schuld.
So wie die 53 SchauspielerInnen, die die Öffentlichkeit unter dem Hashtag #allesdichtmachen auf den Humorprüfstand gestellt haben, wo dann alle durchgefallen sind – Schauspieler und Publikum. Die einen waren nicht lustig, den anderen war nicht zum Lachen. Dabei fängt Humor doch da an, wo der Spaß aufhört. Zum Beispiel bei der Corona-Politik. Hilflos und überfordert zeigt sich die Kanzlerin am Ende ihrer Amtszeit. Aber so widersprüchlich die von ihr favorisierten Maßnahmen auch sind – die meisten Medien halten zu ihr.
Man muss dem Virus ja dankbar sein, dass es uns so viel über uns selbst gelehrt hat. Wir kennen Deutschland jetzt besser als vorher. Krankenhäuser: super. Schulen: Geht so. Medien: Flop. Es ist bedauerlich, aber leider wahr: Erstes Opfer des Virus waren die Journalisten, und sie haben sich bislang nicht erholt. Beim besten Willen kann niemand der Ansicht sein, die Mehrzahl der deutschen Qualitätsmedien habe im vergangenen Jahr unvoreingenommen über die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Krise berichtet. Es galt im Gegenteil das unausgesprochene Motto: Erst schließen, dann fragen.
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