Working Poor: beklemmende Realität in Deutschland
Armutslöhne sind in der Bundesrepublik weitverbreitet. Besonders betroffen sind Familien und Alleinerziehende. In der Pandemie hat sich ihre Lage verschärft
Von seinem Gehalt nicht leben zu können, ist in Deutschland kein seltenes Phänomen. Noch vor zwei Jahren traf das hierzulande auf etwa 3,1 Millionen Beschäftigte zu, wie das Statistische Bundesamt damals ermittelte. Acht Prozent aller Erwerbstätigen in der Bundesrepublik erhielten damals einen Lohn, mit dem es ihnen nicht möglich war, der Armut zu entfliehen. Für alleinstehende Personen bedeutete das ein Einkommen von weniger als 1.176 Euro im Monat, für Paare mit zwei Kindern lag die Armutsschwelle bei 2.469 Euro im Monat.
Für viele dürfte sich bis heute nichts geändert habe; Deutschland ist nach wie vor ein Land, in dem viele mit Niedriglöhnen abgespeist werden. Auf mehr als jeden fünften Beschäftigten (21 Prozent) traf das im April 2021 zu, erklärte das Statistische Bundesamt am Montag. Demnach erhielten 7,8 Millionen Männer und Frauen weniger als 12,27 Euro Stundenlohn. Zum Vergleich: Der gesetzliche Mindestlohn liegt gegenwärtig noch bei 9,60 Euro je Stunde.
"Die Statistik untermauert ein weiteres Mal die beklemmende Realität, dass Millionen Menschen hierzulande zu Niedriglöhnen arbeiten", erklärte die stellvertretende Vorsitzende der Linken-Fraktion im Bundestag, Susanne Ferschl. Es seien diejenigen, "die jetzt zur Weihnachtszeit von früh bis spät Päckchen liefern, den aktuellen Ansturm auf die Supermärkte abfedern oder in Zeiten der Pandemie das Essen oder die Einkäufe direkt ins sichere Heim liefern und am dringendsten auf die angekündigte Mindestlohnerhöhung angewiesen sind".
Viele Niedriglöhner verloren in der Pandemie aber auch ihre Arbeit. So weist das Statistische Bundesamt darauf hin, dass deren Zahl zurückging. An existenzsichernden Löhnen lag es aber nicht. Viele Beschäftigte waren aufgrund der Corona-Krise zu 100 Prozent in Kurzarbeit und wurden bei der statistischen Erhebung nicht berücksichtigt. "Es ist davon auszugehen, dass der Anteil der Niedriglohnempfängerinnen und -empfänger in dieser Beschäftigtengruppe überproportional hoch gewesen wäre", heißt es in der Erklärung des Statistischen Bundesamtes.
Angesichts dieser Zahlen verwundert es nicht, dass viele Menschen in Deutschland trotz Arbeit auf Sozialleistungen angewiesen sind. Eine aktuelle Studie der Bertelsmann-Stiftung bezifferte die Zahl derer, die trotz Arbeit auf Sozialleistungen angewiesen sind auf etwa 860.000. Besonders trifft es Familien. Die Studie kommt zu dem Schluss: "Haushalte mit Kindern, egal ob alleinerziehend oder als Paar, haben gegenüber kinderlosen Paaren und Alleinstehenden eine höhere Wahrscheinlichkeit, trotz Arbeit SGB-II-Leistungen beziehen zu müssen".
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