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Tristan Garcia : Sieben

#1 von Sirius , 07.01.2022 16:28

Tristan Garcia : Sieben

Junge, komm bald wieder!
Tristan Garcia lässt seinen Helden sieben Mal dasselbe Leben leben

Der Gedanke der ewigen Wiederkunft, den Nietzsche in Also sprach Zarathustra formuliert, ist einer der anziehendsten und dunkelsten des modernen Denkens. Was wie die totale Negation der menschlichen Autonomie daherkommt, nennt Nietzsche selbst die größte Lebensbejahung. Milan Kundera greift das zu Beginn der Unerträglichen Leichtigkeit des Seins auf: „Der Mythos von der Ewigen Wiederkehr sagt uns in der Negation, daß das ein für allemal entschwindende und niemals wiederkehrende Leben einem Schatten gleicht, daß es ohne Gewicht ist und tot von vornherein.“ Tot von vornherein – eine grauenerregender Gedanke, der alles menschliche Tun in den Abgrund der Sinnlosigkeit wirft; eine narzisstische Kränkung des modernen Menschen, der sich doch der Zukunft unbedingt bemächtigen will.

Mit einer solchen Allmacht ausgestattet, schickt der französische Philosoph und Schriftsteller Tristan Garcia seinen namenlosen Protagonisten in sieben Leben. Eine Variation der „Täglich grüßt das Murmeltier“-Thematik, auf unheilige Weise kombiniert mit Heraklits Erkenntnis, dass es unmöglich ist, zweimal in denselben Fluss zu steigen.
Der Protagonist weiß zunächst nichts von seinem Glück. Als er an seinem siebten Geburtstag beginnt, heftig aus der Nase zu bluten, offenbart ihm ein Pariser Assistenzarzt, was ihm blüht. Zunächst glaubt er ihm, später weniger, wie wäre es auch zu beweisen? Er führt letztlich ein unaufgeregtes, aber erstaunlich glückliches Leben als Beamter und Familienvater in der französischen Provinz. Bis er nach seinem Tod plötzlich wiedergeboren wird. Nur eben zur selben Zeit, am selben Ort, als dieselbe Person wie beim ersten Mal.

Wer mit Videospielen aufgewachsen ist, wird das Gefühl kennen: Wie praktisch wäre es doch, ab und zu im echten Leben abzuspeichern und neu zu laden, um eine bessere Version einer bestimmten Handlungsabfolge auszuprobieren? Das entspricht der zeitgenössischen Auffassung der Selbstoptimierung als höchstem Ziel: Sei stets die beste Version deiner selbst. Diese Gelegenheit erhält Garcias Protagonist. Dabei verwickelt er sich in eine Abfolge von Versuchen, die der Autor mit Bravour durchdekliniert, ohne sich mit allzu vielen Details oder dem Problem, wie Europa in ein paar Jahrzehnten aussehen wird, aufzuhalten. Wobei zwar die verfallende französische Peripherie als dauerhafte Kulisse anwesend ist, der Klimawandel jedoch kurioserweise abwesend.

Weiterlesen:

https://www.freitag.de/autoren/lfb/junge-komm-bald-wieder


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Sirius
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