Felicitas Hoppe: Gedankenspiele über diie Sehnsucht
Mit kühnen Gedanken und poetisch aufgeladenen Assoziationsketten durchfliegt Felicitas Hoppe das Thema Sehnsucht. "Gedankenspiele über die Sehnsucht"
von Annemarie Stoltenberg
Felicitas Hoppe gilt als eine der vielseitigsten, ideenreichsten und klügsten Autorinnen, die wir in Deutschland haben. Jetzt ist ein schmales Bändchen von ihr erschienen, geeignet als kleines, aber höchst gehaltvolles Weihnachtsgeschenk für Menschen, die Bücher lieben.
Wir alle haben verschiedene Sehnsüchte in uns: nach Frieden, nach fernen Ländern, nach einem geliebten Menschen, nach Geborgenheit, nach Reichtum. Felicitas Hoppe begutachtet die Sehnsucht in ihren unterschiedlichen Formen. Sie taucht auch oft in Märchen auf:
Jeder Märchenleser kann ein Lied davon singen, wie schnell wir uns voreilig beim Wünschen verwünschen und im Licht des Alltags als die Gefoppten dastehen. (…) denn der Wunsch bringt lediglich sprachlich zum Ausdruck, was die Sehnsucht selber nicht sagen kann, und dringt folglich in ihr Zentrum nicht vor. Er reduziert sie notdürftig auf das scheinbar Erfüllbare, während sie selbst bekanntlich am liebsten bei sich bleibt. Unstillbarkeit ist ihr hungriger Adel und ihr unersättliches Markenzeichen.
In kühnen Gedankenflügen und poetisch aufgeladenen Assoziationsketten durchfliegt Felicitas Hoppe das Thema Sehnsucht. Anders als bei Gefühlen wie Neid, Missgunst, Rachlust oder gar Zorn, ist Sehnsucht in den liebevollen Abteilen unseres Gehirns verstaut. Alles scheint möglich hier, warum nicht Sehnsucht haben nach einem Gott, auch wenn man nicht an ihn glaubt, während man um das Leben eines geliebten Menschen bangt? Warum nicht Sehnsucht nach einem Bullerbü haben, obgleich man es in einer kleinen Hochhauswohnung gerade schafft, die Miete aufzubringen?
Felicitas Hoppe spart in ihrem Text auch nicht damit, sich selbstironisch ein wenig durch den Kakao zu ziehen, wenn sie von ihrem eigenen Fernweh erzählt, dass sie einmal dazu verleitet hat, an Bord eines Containerschiffes mitzufahren.
Der sprichwörtlichen Sehnsucht des Seemanns bin ich dabei allerdings nicht begegnet: Sehnsucht und Seemannsgarn sind eine Erfindung der Festländer; spätestens im nächsten Hafen lösen sie sich auf ernüchternde Weise in Nichts auf; genau wie die uns allen bekannten Lieder, in denen Matrosen Briefe von fernen Küsten schreiben und ihren Verlobten Korallen aus Tahiti versprechen.
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https://www.ndr.de/kultur/buch/tipps/Fel...t,hoppe214.html
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