Walsong

Auch Wale scheinen ihre Hitparaden zu haben. Und verstehen was von gut aufgebauten Songs.
Eines Tages waren zarte, knöchellange indische Kleider angesagt, die sogar in trockenem Zustand heftig nach Chemiebad rochen. Dazu ging der Trend eindeutig zu hennagefärbten Haaren, lang und mittelgescheitelt. Dazu durfte es gern ein mystisches und ausgefallenes Hörerlebnis sein, das coolste, das man sich als junge Frau vorstellen konnte: der Gesang der Wale. Wegen des eigenen Gemütszustands (verliebt, nicht verliebt, beides gleich tragisch) nahm man ihn als angemessen melancholisch wahr. Gab es das, den Gesang der Wale, damals im Zweitausendeins-Laden zu kaufen, oder erinnern wir uns falsch? Jedenfalls: Nach kurzer Zeit waren die aus vollen Kehlen klagenden Wale abgemeldet, hatten wieder Bob Dylan, Simon & Garfunkel, Leonard Cohen die Hoheit über den Plattenteller.

Vielleicht wäre es anders gekommen, hätten wir bereits gewusst, dass die Lieder der Buckelwale der Kommunikation dienen und der menschlichen Sprache ähnlicher sind, als wir ahnten. Vielleicht hätten wir dann nicht mittels Songtextexegese unseren Englischwortschatz erweitert, sondern Buckelwalisch gelernt, das, so ein nagelneues Forschungsergebnis, ebenfalls dem sogenannten Zipfschen Gesetz gehorcht.
Nach diesem Gesetz kommt in menschlichen Sprachen – in allen – das häufigste Wort doppelt so oft vor wie das zweithäufigste. Das zweithäufigste dreimal so oft wie das dritthäufigste. Diese Gesetzmäßigkeit erleichtere das Erlernen einer Sprache, sagen die Forschenden. (Im Deutschen lauten die Wörter übrigens: der, die, und.)

Ein Computerprogramm hat nun Mengen von Walgesängen analysiert, und siehe da: sie haben Strukturen wie menschliche Sprache. Es gibt Basiseinheiten, vier bis sechs solcher Basiseinheiten bilden eine Teilstrophe, mehrere solcher Teilstrophen eine Strophe. Man könnte auf den Verdacht kommen, dass der Songs schreibende Homo sapiens damals, als er als Lurchi aufs Trockene krabbelte, sich nicht wenig beim Wal abgehört hatte. Haben es die Buckelwale mal mit einer Copyrightklage versucht?

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https://www.fr.de/kultur/timesmager/walsong-93593544.html