Bahnsprech
Die Bahn hat ja ihre eigene Sprache. Immer, wenn in einem Betrieb die Unfähgkeit überwiegt, bedarf es einer eigenen Sprache, eine Künstlichkeit halt, die dem Bürger sagt, hier arbeiten im Management haupsächlich Idioten.
Wir kennen das ja nahezu von sämtlichen Behörden. Ich wüsste zu gerne, ob diese Leute auch zu Hause so reden. Gibt es da vielleicht auch statt eines „Übergangsreisenden“ einen Übergangsehemann, bis man den richtigen Anschluss gefunden hat?
Und gibt es statt den „Fahrgastwunsch“ etwas den „Gattinnenwunsch“ für derzeit „eingeschränkten Verkehr“?
Ist der „Zugbegleiter“ in seiner Freizeit ein Ehebegleiter, kommt er vielleicht verspätet oder gar nicht oder etwa ganz woanders als ursprünglich abgemacht?
Man weiß es nicht, man kann nur hoffen, dass die Begleiterin des Zugbegleiters genügend „Anschlussmobilität“ besitzt.
„Zug verkehrt in umgekehrter Zugreihung“.
Aha. Er verkehrt! Das ist schon mal gut, wenn auch in verkehrter Zugreihung oder umgekehrter, wobei sich nicht erschliesst, wie die richtige Zugreihung ist.
Dem Reisenden soll schließlich die Lust vergehen, da kann man ihm nicht einfach sagen, dass die Erste Klasse sich am Zuganfang befindet. Vor allem, weil keiner weiß, wo denn der Zuganfang ist. Der ist immer am Bahnsteigende. Wird dort mit viel, viel Geld gar gebaut, damit man nach dem Bau mit weniger Zügen „optimiert“ verkehren kann, dann muss man, wenn man Pech hat, bis zur ersten Station zu Fuß laufen, ehe man ansteigen kann.
Die Bahn weiß, der Fahrgast ist gerne viel zu Fuß unterwegs, sonst würde er ja den Bus nehmen. Da schmeißt man sein Gepäck einfach in den Laderaum, bezahlt dreißig Euro und fährt dann in drei Stunden durch halb Deutschland.
Bei der Bahn funktioniert das ähnlich: Man nimmt am Besten einen Kleinkredit auf, um für den doppelten Fahrpreis sein Gepäck zu verschicken, und schon nach drei Stunden fährt man dreißig Kilometer weit, ehe eine „Zugüberholung“ oder ein technisches Problem nebst „Personalwechsel“ bevorsteht, oder gar ein Vertragsbauer mit seiner Milchkuh auf den Gleisen steht.
Besonders ominös sind auch die „Zuglaufteile“, die mancher Zug mit sich führt. Da kann es schon mal passieren, dass, wenn man aus dem Süden kommt und nach Dortmund will, man in Köln innerhalb des Zuges umsteigen muss, weil die Zuglaufteile in Köln verenden möchten. Es heißt denn lapidar, dass diese Zuglaufteile in Köln enden und nur die restlichen Teile des Zuges bis Dortmund weiterfahren, warum auch immer. Vielleicht ist just die Garantie abgelaufen, oder die Waggons werden weiter vermietet an Passagiere, die übernachten müssen, weil sie ihren Anschlusszug nicht erwischt haben.
Es ist also gut, wenn man das Bahnsprech beherrscht, sonst kann man das Nachtleben von Köln kennenlernen.
Es soll ja auch sprachliche Verbesserungen geben. Der Speisewagen, der eigentlich ein Wagen mit der „Ordnungsnummer sieben“ ist, soll fortan nur noch Wagen sieben heißen.
„Speisewagen“ wäre einfach zu einfach.
Sirius
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Wo hast du nur so gut Bahnsprech gelernt, Sirius? Für einen Außenstehenden erstaunlich, wirklich ganz erstaunlich! Bin ja Insider, habe Bahnsprech quasi mit der Vatermilch aufgesogen, war sein Opa doch Lokomotivführer.
Liebe Lottegrüße
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Ich bin viel mit der Bahn unterwegs, Lotte, weil ich noch einer der letzten Abenteurer bin, und dann spreche ich gerne die Sprache der Zugeingeborenen.
Es freut mich sehr, dass dir die Satire als Fachfrau gefallen hat. Dankeschön.
Sirius
Reset the World!
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