Stante Pede Ante Portas
Schau, Kolumbus, wärst du damals
Träge und zu Haus geblieben:
Irgendeiner hätte schon die
Rothäute vertrieben.
Jetzt, da der Apache tot ist,
nimmt das Elend seinen Lauf:
Tätowierte Typen suchen
Sonnenstudios auf.
Marco Tschirpke
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Blühende Landschaften
Auf dem blauen Industriegebäudedach,
sitzt ein Rabe und macht krach.
Einst waren viele Menschen dort,
doch Konjunktur nahm sie mit fort.
Blühende Landschaften nehmen jetzt überhand,
seit der Investor mit der Kohle verschwand.
Jörg Schwedler
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Hermine
Hermine stand am Wolkenstore
Und blickte bang hinaus.
Ihr rundes Hinterteil sah vor
Dem Tüll ganz reizend aus.
Die Sinne fliehn …
Jetzt ahnt sie ihn …
Er biegt ums Eck von Sankt Marien.
Der Liebste lag im Bett und fror.
Herz, laß mich nicht allein!
Hermine steht am Wolkenstore
Und mag nicht zärtlich sein.
Die Sinne fliehn …
Jetzt ahnt sie ihn …
Er biegt ums Eck von Sankt Marien.
Der Gatte klopft ans Eichentor.
Weshalb hast du den Riegel vor?
Der Liebste fährt ins Stiefelrohr.
Hermine steht am Wolkenstore.
Wohin, wohin?
Ein Abendglühn
Webt Rosen über Sankt Marien.
Peter Hacks
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Verpasste Liebesmüh
Ich bin grad heut
bereit
für die Dinge
doch die schauen mich
mit großen Augen
und mitleidigem Lächeln an
glauben
nicht
richtig gehört
zu haben.
Piet Klocke
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Schicksal
Ein unschöner Mann und `ne Blinde,
die waren schon lange ein Paar.
Von ihm aus, weil er sie liebte,
von ihr aus, weil sie nicht sah.
Doch da geschah das Wunder,
die Blinde konnte sehn.
Und fünf Minuten später,
da war er richtig schön.
Sie trafen sich zufällig in der Küche
und taten, als wär nichts geschehen.
Johann König
Aus: Gestammelte Werke
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Alternden Männern, die in einer
langjährigen Ehe leben, zum Trost
Ja, das liegt im Magen, diese Dauer
Nach dem frühen Rausch, da Lust und Glück
Endlos scheinen und dann Stück für Stück
Übergehn in endlos starre Trauer.
Ja, das liegt so bleischwer auf den Tischen.
Leidenschaft mag keine Ewigkeit.
Männer, glaubt, ich kenne euer Leid:
Sie geht schlafen, ihr euch einen zischen.
Ja, das liegt allein an euren Ollen.
Meine lieb’ ich immer noch wie nie!
Gute Güte, bin ich spitz auf die!
Viertelstündlich geht es in die vollen!
Ja, das liegt uns, dieses Auf und Nieder!
Trostreich ist die Lust und wunderbar.
Seit drei Tagen sind wir nun ein Paar,
sie ist zwanzig, es geht los, auf Wieder -
Thomas Gsella
Aus: Ins Alphorn gehustet
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Verstiegen
Der Täuberich steigt auf die Taube,
der Rehbock röhrt und steigt aufs Reh.
Der Nachbar steigt auf seine Laube,
und du steigst aus dem ICE.
Auf seine Stute steigt der Schimmel,
das Kleinkind steigt auf seinen Topf.
Ein Luftballon steigt in den Himmel,
und du, oh Mann, steigst mir zu Kopf.
Am Bodensee steigt eine Fete,
das Thermometer steigt auf Plus.
Heut Nacht steigst du auf Margarete.
Ich steige aus und mache Schluss.
Eva Philipp
Aus: Lasst uns oktopussen
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Borracho
Hab mir in der Taverne
einen Floh
eingefangen
Diesen Trunkenbold
wird ich nicht mehr los
Säuft er doch wie ich
ums Verrecken gern
Hans-Jürgen Heise
Aus: Ein Kobold von Komet
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ich weiß nicht wie
er kam wie ein klempner
und hat die verstopfung behoben
so daß die wörter fließen
es gibt einfach so zyklen
alle drei jahre
werden die armaturen gewechselt
im oktober vielleicht oder im mai
kommt er wieder vorbei
Nora Iuga
Aus: Gefährliche Launen
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Hier irrt Tschaikowski
Es ist ein Irrtum in der Welt,
der kehrt beständig wieder:
Es tanzt der Schwan nicht, wenn er stirbt,
er legt sich einfach nieder.
Marco Tschipke
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Im Internet
Früher war man sicher
im Auto
im Zug
auf dem WC
Heute erreichen sie
dich überall
per SMS
per Mail und
mit dem Handy
Selbst deinen Tod
liest du zuerst
im Internet
Gerhard Rombach
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Kurt Tucholsky (1890-1935)
Danach
Es wird nach einem happy end
im Film jewöhnlich abjeblendt.
Man sieht bloß noch in ihre Lippen
den Helden seinen Schnurrbart stippen-
da hat sie nun den Schentelmen.
Na,und denn-?
Denn jehn die beeden brav ins Bett
Na ja...diß is ja auch janz nett.
A manchmal möchte man doch jern wissen:
Wat tun se, wenn se sich nich kissen?
Die könn ja doch nich immer penn...!
Na, und denn-?
Denn säuselt im Kamin der Wind.
Denn kricht det junge Paar 'n Kind.
Denn kocht se Milch. Die Milch looft üba.
Denn macht er Krach. Denn weent sie drüba.
Denn wolln sich beede jänzlich trenn.....
Na, und denn-?
Denn is det Kind nich uffn Damm.
Denn bleihm die beeden doch zesamm.
Denn quäln se sich noch manche Jahre.
Er will noch wat mit blonde Haare:
vorn doof und hinten minorenn....
Na, und denn-?
Denn sind se alt.
Der Sohn haut ab.
Der Olle macht nu ooch bald schlapp.
Vajessen Kuß und Schnurrbartzeit-
Ach, Menschenskind, wie liecht det weit!
Wie der noch scharf uff Muttern war,
det is schon beinah nich mehr wahr!
Der olle Mann denkt so zurück:
wat hat er nu von seinen Jlück?
Die Ehe war zum jrößten Teile
vabrühte Milch und Langeweile.
Und darum wird beim happy end
im Film jewöhnlich abjeblendt.
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Johann Nikolaus Götz (1721-1781)
Kunz und Görgel
Welch süße Wohllust, so zu trincken!
Sprach Kunz, und rückte seinen Hut,
Bey neuem Wein und jungen Schinken
Sind allemahl die Zeiten gut!
Die Steuer scheinet viel gelinder,
Die Stunden fliesen viel geschwinder,
Wenn man bey vollem Glase spricht;
Denn an die Schulden denckt man nicht;
Noch weniger an Weib und Kinder.
Gefiel es, Nachbar Görgel, dir,
Wir blieben bis zum Morgen hier?
Rasch fieng sich Görgel an zu blähen;
(Er hatte, wie ein Seraskier,
Den Kopf voll Stangen und voll Höhen)
Ich halte, Vetter Kunz, dafür,
Ihr scheint das Ding nicht zu verstehen,
Und raisoniret, wie ein Thier.
Wir bleiben rechter immer hier:
Es kostet nichts, als wann wir gehen!
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Eine kleine Nachtmusik
mit Solo für Schlagzeug
Vergiss Mozart.
Gib mir den Takt an.
Und bei den harten Schlägen
geh ich mit.
Vergiss Mozart.
Alle Bläser und Streicher.
Mir reicht dein Drumstick
zu meinem Glück.
Eva Philipp
Aus: Lasst uns oktopussen!
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Wirrsingsong
Ich bin ein bisschen durch den Wing
äh Wind, Mein Kopf ist da im Ding
im na, wie heißt es? Hose?
Mein Kopf, mein Dings
Mein Klingeling
Ich stotterstammel, nein: ich sing
den wirren Song, den Hop, den Sing
Den Wirrsing aus der Dose?
Ich sagte Gark statt Guten Tag
Mein Popf, nein: Kopf ist weicher Quark
Was wäre, wenns so bliebe?
Das wär, ich weiß es,
viel zu arg.
Ich wehre mich und bleibe stark
Ich topf den Kopf um jeden Tag –
nutzt gar nichts, es ist Liebe.
Wiglaf Droste
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