Vergebliche Mühe

Aus wärmster Dankbarkeit
gedachte ich,
auf meinem Ofen
ein Gedicht zu schreiben.
Doch war auf „Ofen“ –
wie ich mich auch quälte –
kein Wörtchen, das sich reimte,
aufzutreiben.
Und weil der Reim
mir noch nach Stunden fehlte,
gelang mir keine der geplanten Strophen
auf meinem doofen
Ofen.

Rudi Strahl

Der Rezensent

Da hatt ich einen Kerl zu Gast,
Er war mir eben nicht nur Last;
Ich hatt just mein gewöhnlich Essen,
Hat sich der Kerl pumpsatt gefressen,
Zum Nachtisch, was ich gespeichert hatt.
Und kaum ist mir der Kerl so satt,
tut ihn der Teufel zum Nachbarn führen
Über mein essen zu räsonieren:
„Die Supp hätt können gewürzter sein,
der Braten brauner, firner der Wein.“
Der Tausendsakerment!
Schlagt ihn tot, den Hund! Er ist ein Rezensent.

Johann Wolfgang von Goethe

Die Fragen der sieben Zwerge

Sie hat den schönsten Glassarg
im ganzen Land.

Aber wer soll uns jetzt Himmel und Erde kochen,
in der Lieblingsschüssel servieren
und durchsichtigen Pudding in allen Farben
zum Nachtisch auftragen?

Nichts merken lassen,
damit Märchen Märchen bleibt?

Wer soll jetzt den Wecker aufziehen,
soll die Flanell-Pyjamas elektrisieren?
Und von wem sollen wir uns
zudecken lassen, gekitzelt bis zum Kinn?

Wer singt uns
das Schlaflied
Siebenmal Feierabend?

Günter Seuren

Es stand vor eines Hauses Tor

Es stand vor eines Hauses Tor
Ein Esel mit gespitztem Ohr.
Der käute sich sein Bündel Heu
Gedankenvoll und still entzwei.

Nun kommen da und bleiben stehn
Die naseweisen Buben zween,
Die auch sogleich, indem sie lachen,
Verhasste Redensarten machen,
Womit man dann bezwecken wollte,

dass sich der Esel ärgern sollte.
Doch dieser hocherfahrne Greis
Beschrieb mit einem halben Kreis,
Verhielt sich stumm und zeigte itzt
Die Seite, wo der Wedel sitzt.

Wilhelm Busch

Der Backfisch

1

Papa ist heute furchtbar aufgeschwemmt.
Er blinzelt müde in die Morgenzeitung.
Mama im Morgenrock und ungekämmt,
Befaßt sich mit des Kaffees Zubereitung.

Dann spricht sie: Anton! Komm! Es wird bald Zeit!
Du darfst mir das Büro nicht noch versäumen! -
Ich sitz am Tisch in meinem Rosakleid
Und will den ganzen Tag in Rosa träumen.

2

Sie sagen in der ersten Mädchenklasse manchmal unanständige Sachen.
Ob Maria sich damit befasse?
Der Primaner Hubert hat doch Rasse.
Und sie lachen.

Und wir heben unsre Kleider, zeigen unsre hübschen Beine.
Manche möchten mit nervösen
Fingern sich zum Scherz ihr Mieder lösen...
Und ich weine...


Klabund
Aus: Das Leben lebt. Gedichte

Relativität

Da das Leben relativ ist,
Und der eine Absatz schief ist,
Ist der andre desto mehr
Geraderer.

Dabei ist er auch schon sehr
Und allmählich mehr und mehr,
Was noch niemand wahrgenommen,
auf die schiefe Bahn gekommen.

Steht er aber mal allein,
Sieht's ein jeder Trottel ein,
Daß auch dieser Absatz schief ist,
Weil das Leben relativ ist.

(Kurt Schwitters)

Ordnung muss sein!

Unter den Bäumen
Mußt du träumen!
Unter den Fichten
Mußt du dichten!
Unter den Rosen
Mußt du kosen!
Unter Reseden
Mußt du reden!
Unter den Birken
Mußt du wirken!
Unter den Eichen
Mußt du erbleichen!
Unter den Erlen
Reihe Perlen,
Unter Kastanien
Denk' an Spanien!
Unter den Linden
Wirst du sie finden!
Unter den Buchen
Mußt du fluchen —
Doch unter Palmen
Singe Psalmen!
Unter der Haselnuß
Gib deiner Bas' 'n Kuß!
Unter den Feigen
Mußt du schweigen.

nach Adolf Bekk

Unter den Eschen,
werd ich sie verdreschen!
Unter den Kiefern,
das Haschisch ihr liefern!
Unter den Wicken,
da werd ich sie knicken!
Unter Narzissen?
Das willst du nicht wissen!

Aber Leo!

Zitat von Letreo71

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Unter den Eschen,
werd ich sie verdreschen!
Unter den Kiefern,
das Haschisch ihr liefern!
Unter den Wicken,
da werd ich sie knicken!
Unter Narzissen?
Das willst du nicht wissen!

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Unter dem Hollunder,
verkauf ich ihren Plunder!
Und unter einer Haselnuss,
verpass ich ihr den letzten Schuss!

Ja ich weiß Lotte, mein LI ist manchmal echt böse, aber solange es nur mein LI ist, ist ja alles i.O.!

Ja, Leo, und das ist auch gut so, dass das LI auch mal böse ist. Sonst wären wir es noch am Ende.
Die Haselnuss gefällt mir gut!

Sirius

Bekenntnisse einer Chansonette

Sing ich auch hier von Küssen und Kosen,
Von Puderdosen und Spitzenhosen,
Ihr Männer, bildet euch nur nichts ein,
Noch mach ich keinen von euch zum Schatze,
Zu Haus streichl ich meine Katze
Und Schillers Wallenstein.

Ich übe fleißig die übelsten Chosen,
Kokottengebärden und Nuttenposen,
Ich bin noch jung, ich lerne schnell.
Doch eure Liebe, die ist mir schnuppe.
Zu Hause koch ich mir Tomatensuppe
Und lese Schillers Wilhelm Tell.

Und hab ich hier brav gemimt und gewitzelt
Und eure verwöhnten Sinne gekitzelt,
Dann geh ich nach Hause ganz allein.
Im Bettchen eß ich ne Schillerlocke
Mit Sahne und lese das Lied von der Glocke
Oder die Jungfrau – und schlafe ein.

Franz Hessel

Ich hab ein Auge..

Ich hab ein Auge, das ist blau.
Mir gestern Abend geschlagen.

Ich schrie fünfhundertmal „Au! Au!“
Was wollt ich damit sagen?

Ich weiß es heute selber nicht.
Ich hab ein Heldenangesicht.

Paul Scheerbart

Der Pilot

Er fliegt im Immerblau umher,
Wo Sonnen ihn erwarten.
Erst steigt er hoch, dann landet er.
Um bald darauf zu starten.

Und wieder fliegt er hoch und weit
Und sinkt bewundernd nieder.
Dann fliegt er in der gleichen Zeit
Zurück und landet wieder.

Dann startet er und fliegt und sinkt,
Um schleunigst abzuheben,
Worauf erneut die Landung winkt.
Ein Traum von einem Leben.

Thomas Gsella