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RE: Achterbahnträume

#301 von Sirius , 01.04.2019 19:37

Urlaub

Wann mer in Urlaub fahrn,
haabe mer vorher immer so viel zu due,
dass mer am liebste dehäm bleibe dete.

Wann mer in Urlaub sin,
stehe mer in de Autoschlang un hörn de Wetterbericht
und ärjern uns, dass dehäm Wetter is.

Wann mer zurückkomme,
liet so viel blöd Post un dreckig Wäsch da,
dass mer besser dehäm geblibbe wärn.

Inge Reitz-Sbresny


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RE: Achterbahnträume

#302 von Sirius , 04.04.2019 19:10

Gintaras Grajauskas

übung, das glück herbeizurufen

wollen sie glücklich sein? seien sie es
oder wir machen sie glücklich
hören sie aufmerksam zu: wenn sie
glücklich sein wollen, lächeln sie

lächeln sie ihrer frau zu lächeln sie ihrem hund zu
lächeln sie dem fernseher zu
lächeln sie dem sauren ackerboden zu
lächeln sie dem stuhl zu dem schrank dem spiegel
lächeln sie dem angebrannten geschmorten zu
lächeln sie dem trolleybus zu und dem eisverkäufer
lächeln sie dem psychoanalytiker zu
lächeln sie den atmosphärischen erscheinungen zu
lächeln sie dem hosenknopf zu
lächeln sie dem medaillon des hlg. Antanas zu
wenn es klappt, lächeln sie den maulwürfen zu
den gnomen würmern u.a. chthonischen wesen
den klassenvertretern
lächeln sie nach oben und nach unten
nach links nach rechts

lächeln und leben sie
wie die letzten idioten 


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RE: Achterbahnträume

#303 von Sirius , 05.04.2019 19:25

Petra Friedel (geb. 1963)

Die Essich-Diät

Denk' ich an Kuchen in der Nacht,
so bin ich um den Schlaf gebracht.
"Schwarzwälder Kirsch", "Frankfurter Kranz"
und Erdbeertorte, noch mit ganz
viel Sahne, nur für mich allein:
Was könnte widerlicher sein?

Wie gut es mir doch lang` schon geht
mit meiner Essich-Schmatz-Diät!
Die schon des Morgens aus mir spricht:
"Was mach' ich: essich? Essich nich?
Wo Knäckebrot, zu früher Stunde,
mir tockenfröhlich staubt im Munde
und rosarote Laune schafft
der lecker Rote-Beete-Saft!

Auch mittags bin ich zu beneiden,
ich hab die Wahl, kann mich entscheiden
zwischen Kartoffeln oder Reis.
Wie eklig wär` jetzt Schoko-Eis
mit süßer, roter Himmbeersoße!
Stattdessen ess' ich riesengroße
Salat-Gemüseschüssseln leer.
Mehr Schlemmen geht fast gar nicht mehr!

Nein! Halt! Fast hätte ich's vergessen:
am Abend wird "Gourmet" gegessen!
Es lässt nicht lange auf sich warten
der Eintopf 'Mein Gemüsegarten'.
Ich fühl' mich glücklich, satt und wohl
mit Möhren, Erbsen, Blumenkohl,
darf mich des Abends reich belohnen
mit Wirsing, Paprika und Bohnen.
Und fünf Radieschen, keine Frage,
die krönen dieses Festgelage!

Doch schleicht herbei die dunkle Nacht,
so bin ich um den Schlaf gebracht.
Dann muss ich schimpfen, meckern, fluchen.
Warum? 
Das hat hier nichts zu suchen...


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RE: Achterbahnträume

#304 von Sirius , 10.04.2019 19:28

Scheiß auf das Gedicht

Seit Ewigkeiten stockt mein Schreiben,
denn ich starre lieber auf dich als auf Seiten.

Doch wäre es nicht fantastisch,
ein Gedicht zu machen, das nur halb so verwegen ist
wie du, wenn du nackt bist.
Ich versuche es mal eben -

Deine Liebe ist mein Stahl, Nieten deine Küsse.
Du bist wie das Meer unter dem Schlamm einer Ölpest.


Scheiß auf das Gedicht.

Hier gibt’s ein Bett,
und du willst mich drin haben.

Ono No Komachi


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RE: Achterbahnträume

#305 von Sirius , 11.04.2019 19:07

Gerlinde

Im leuchtend hellen Grau der Winde
erscheint Gerlinde.

Sie ist so scharf, liebt so geschwinde,
ich bin die Schraube, sie Gewinde.

Sicher – sie ist ganz gelinde -
Gesinde.

Doch was ich an Gerlinde finde
ist unter faulig-alter Rinde
das Kinde.

Johann König allererstes Gedicht, geschrieben Januar 1996


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RE: Achterbahnträume

#306 von Sirius , 12.04.2019 18:52

Über das Faulsein

Eine Matratzendichtung

Faulsein kostet reichlich Kraft:
Man liegt da und ist geschafft

Man liegt da und denkt verpennt:
Puuh, ist Faulsein anstrengend

Denn man musste so viel tun:
Schlummer, Dösen, und dann ruhn!

Siesta halten! Oh! Strapaze!
Rasch zurück auf die Matratze!

Lecker essen, lecker trinken,
Wieder in die Kissen sinken.

Schnurrend in der Suhle liegen
Und sich umeinander schmiegen

Um in diesem guten Hafen
Wiederum sich auszuschlafen

Bald singt man im höchsten Ton:
„Regression, ich komme schon!

Welt, du bist aus einem Guss;
Glück ist, wenn man nichts mehr muss!“

Wiglaf Droste


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RE: Achterbahnträume

#307 von Sirius , 15.04.2019 19:23

Fred Endrikat (1890-1942)

Schwermütiger Abend

Ich habe mir den Abend, ach, so wundervoll gedacht,
jedoch das Schicksal hat ihn mir komplett kaputtgemacht.
Der Himmel hängt voll grauer Tränensäcke.
Ein Windbeinkleid pfeift stürmisch um die Ecke.
Die Zitterpappel zittert mit dem Hinterteil.
Die Trauerweide grüßt mich: Trauerweidmannsheil!
Es schluchzt die Nachtigall beim Mondenscheine,
sie klagt so über Nachtigallensteine.
Auch die Glühwürmchen funktionieren nicht,
dieweil es ihnen an dem Hinterlicht gebricht. 
Und dann die Mücken - Mücken -, nichts als Mücken.
Man soll's nicht glauben, wie die Mücken jücken.
Sogar der gute Mond nimmt ab - statt zu,
und über allen Wipfeln ist mehr Un- als Ruh.
Im Teiche höre ich die bösen Unken unken. 
Es klingt, als lachten sie mich aus, diese Halunken.
Doch tröst ich mich: O armes Herz, verzage nicht.
Der Esel geht so lang zum Brunnen, bis er bricht.


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RE: Achterbahnträume

#308 von Sirius , 16.04.2019 19:27

Anne Margritchen..

Anne Margritchen!
Was willst du, mein Liebchen?
Ich trinke so gerne
Gezuckerten Wein.

Zwei Pfund Zuckerchen,
Ein Pfund Butterchen,
Schütt es ins Kesselchen,
Rühr es mit dem Löffelchen.

Zwei Maße Wein,
So muss es gut sein.
Anne Margritchen
Was Zipfel ist das?

Eine Weinsupp, eine Weinsupp!

Clemens Brentano


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RE: Achterbahnträume

#309 von Sirius , 17.04.2019 19:26

Schaffenskrise

Ach wie soll ich Schönes schreiben 
wenns nicht geht. 
Wie kann ich denn Lyrik treiben 
wenns so um mich steht?

Nicht mal etwas Geniales 
fällt mir ein -
Ach es ist ja so egal - es 
soll nicht sein.

Was ich hab? Man kenns! Man nennts 
kreative Impotenz. 
Und davon kommt diese 
sogenannte Schaffenskrise. 
Hier mein Bericht. 
Und ist das nicht 
ein Gedicht?

F.W. Bernstein


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RE: Achterbahnträume

#310 von Sirius , 18.04.2019 19:16

Zwischenbilanz

Ich hab in meinem Leben fast alles gehabt 
Osso Bucco, Halbschuhe, die drücken, 
Blinddarm, Blechschaden, die Tür zugeschnappt 
die Liebe, das Knie und der Rücken.

Interviews, Fußpflege, Reimweh und Ruhm 
Beamtenschaft, Zahnersatz, Brillen 
und wenn der Humor mich allzusehr plagt 
nehm ich scherzstillende Mittel

F.W. Bernstein


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RE: Achterbahnträume

#311 von Sirius , 19.04.2019 19:54

Resume

Bis heute kein einziger Seepapagei in meinen vielen Gedichten
(Stattdessen schon wieder ´n Dutzend Fadennudeln im Bart);
Auch dem Sabberlatz nicht das ärmste Denkmal gesetzt
in Vers oder Prosa.
So wenig wie der Elbe-Schiffahrt oder der Karpfenernte
bei Peitz.

Geschiebemergel dagegen ja!, fast zu häufig die Rede
von diesem
(Und meistens mit Fadennudeln im verwahrlosten Bart)!
Nicht vergessen die Gelbhalsmaus, nicht fehlt die
sogenannte Nacktmarktfassade!
Selbst Sägeblätter, selbst Kühlhaus-Eier weiß ich
irgendwo untergebracht.

Indessen nicht der kleinste Seepapagei in meinem
Scheiß-Gesamtwerk!
Um ehrlich zu sein: Das Gleiche gilt für den Hüfthalter
oder den Kronenverschluß.

Und wie konnte ich fünfzig Jahre lang das Wörtchen
„Wadenwickel“ verfehlen?
Es gibt keine ausreichend lichte Erklärung für das und
für dies und für das.

„Darf ich die Fadennudeln aus dem Bart nehmen?“
(sagt Georg Maurer)

Adolf Ertler (1930-2009)


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RE: Achterbahnträume

#312 von Sirius , 24.04.2019 19:19

Wolfgang Lörzer (geb. 1950)

Geständnis

Ich bin ein Freund der Poesie
und sag' ganz unpathetisch:
Ich liebe sie, die Poesie.
Sie wirkt so energetisch.

Ich liebe sie satirisch fein,
pointiert und melancholisch.
Auch kann sie durchaus kritisch sein,
natürlich auch symbolisch.

Seit ein'ger Zeit bin ich per du
mit der von mir Verehrten.
Ich nenn' sie nur noch P o e d u .
Das stört nur die Gelehrten.

Und was die denken, ist mir Wurst,
in meinem Poedusendurst!


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RE: Achterbahnträume

#313 von Sirius , 25.04.2019 19:10

Junger Hund        

Hochgemuter Stummelschwanz,
hemmungsloser Freudentanz,
quitschvergnügtes Hundsgejaul,
handkehrum zum Sterben faul.
 
Alter Schuh und müdes Blatt,
Mutters warme Lagerstatt,
Milch zu saugen noch und noch,
oh, wie gut das alles roch!
 
Gute Hand im krausen Fell,
seltsam fremdes Hundgebell.
Nacht wie schwarzer Regen fiel,
Tag voll Balgerei und Spiel.
 
Böse Hand und spitzes Glas,
warmer Stein und zartes Gras,
Bubenpfiff und Purzelbaum,
erster dunkler Hundetraum.
 
Wie er täppisch blickt und bellt,
staunt in eine bunte Welt.
Gut und Böse? Sein und Sinn?
Nein, er bellt: Ich bin! Ich bin!

Peter Kilian
 

 


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RE: Achterbahnträume

#314 von Sirius , 26.04.2019 19:12

Aus Erfahrung  
      
Vier Stiere friedlich kauen dauer,
verschieden alt, das heißt genauer:
von Unterschied auch in der power,
von heißem Blut bis lau und lauer.
 
Der Jüngling reißt die Harmonien
mit seinem Vorschlag jäh entzwei:
»Wir laufen rüber zu den Kühen«,
zu schaun, ob was »zu machen« sei.
 
»So drängend ist es wiedrum nicht«,
meint drauf der 2. von den viern,
»wir können, das ist meine Sicht,
nachher mal langsam hinspaziern.«
 
Im Bund der 3. schränkt noch ein:
»dass wir nur warten sollen;
dergleichen Eile muss nicht sein;
die kommen, falls sie wollen.«
 
Unbeeindruckt vom Geschehn
lebensklug der Alte spricht:
»Noch sind wir hier nicht gesehn;
duckt euch und bewegt euch nicht!«

Ulrich Maas


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RE: Achterbahnträume

#315 von Sirius , 29.04.2019 19:00

Das Liebesbrief-Ei

Ein Huhn verspürte große Lust
unter den Federn in der Brust,
aus Liebe dem Freund, einem Hahn zu schreiben,
er solle nicht länger in Düsseldorf bleiben.
Er solle doch lieber hier - zu ihr eilen
und mit ihr die einsame Stange teilen,
auf der sie schlief.
Das stand in dem Brief.

Wir müssen noch sagen: Es fehlte ihr an gar nichts.
Außer an Briefpapier.
Da schrieb sie ganz einfach und deutlich mit Blei
den Liebesbrief auf ein Hühnerei.
Jetzt noch mit einer Marke bekleben
und dann auf dem Postamt abgeben.

Da knallte der Postmann den Stempel aufs Ei.
Da war sie vorbei,
die Liebelei. 
 
Janosch


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