Es ist keine dunkle, stürmische Nacht während den Iden des März’. Es wabern auch nicht Unheil verheißende Nebelschwaden durch die Wälder. Keine Blitze zucken herab wie Dolche ungeschickter Mörder. Es donnert noch nicht einmal. Kein Erlkönig homopäderastiert und irgendwelche Dinge, die man gar nicht genauer kennen lernen möchte, lauern auch nicht in den Schatten. Die Sonne scheint und die Vögel jubilieren. Schmetterlinge tanzen. Blumen machen fleißigen Bienen unanständige Angebote, kurz, das Leben lebt. Es lebe hoch!
Wir verlassen den Wald und überqueren frohen Mutes eine heruntergelassene Zugbrücke. Das da unten ist außerdem niemals der Styx. Kein Schrat, kein Cerberus oder Cherubin fragt nach einer, wie auch immer gearteten, Zugangsberechtigung. Kein unauffälliges Codewort muss verstohlen geflüstert werden. Niemand verrenkt sich die Hand beim geheimen Griff, den nur die Eingeweihten des inneren Zirkels kennen.
Wir lustwandeln leise pfeifend durch die weit geöffnete Eingangspforte ins Schloss. Nicht eine einzige Fledermaus kommen uns entgegen gefledert! Kein Werwolf fletscht seine Furcht einflößenden Reißzähne. Allerdings ist da ein leises Geräusch von verhallendem Gemurmel, welches uns zum Festsaal leitet. Wir öffnen eine Doppeltür, - es müssen aus traditionellen Gründen immer völlig überdimensionierte Doppeltüren sein, hinter denen sich dann das Grauen aufhält.
Hält sich aber nicht! Bricht einfach mit dem Spannungsaufbau. Der müsste nämlich wegen der notwendigen Atemlosigkeit erst harmlos nett und lieb einlullend daher kommen, doch dann hinterrücks heimtückisch incl. Klauen oder Tentakeln den Leser schaudern machen.
Die Halle ist mit Papierschlangen, Lampions, bunten Ostereiern, Butterbroten, Mistelzweigen und Lametta geschmückt. Schwarzlicht illuminieren halbherzig eine große Ansammlung von … , äh, sind das etwa Indianer Tipis? … Umgedrehte Eishörnchen? … Entlaufene Schultüten?
Nein-nein, das sind schlichte, Kapuzenumhänge im Zebra Design, manche auch kariert wie mobile Schachbretter …
… in denen sich vermutlich irgendwelche Leute befinden.
Ganz klar. Das sind Teufelsanbeter, Satansjünger! Huch! Ein ganzer Schwarm, welcher sich erstaunlich leise in höllischer Beschwörung versucht. Vielleicht wird das ja doch noch was mit dem Grauen. Ihre Kutten sind viel zu groß und sie haben sich als überdimensioniertes, humanoides Pentagramm hübsch ordentlich geordnet um einen Altar aufgestellt. Auf diesem steht ein Computer. Der Bildschirm ist dunkel, doch leises Sirren, wie von einem Bienenstock, dringt aus den Lautsprecherboxen. Ein brennendes Kreuz ist freilich nirgends zu entdecken. Hört mal, … Da! ... Die Satanisten müssen gerade erst losgelegt haben und murmeln nun gemeinsam alle bekannten Namen des üblen Verderbers, den sie verehren.
Abbadon, Abigor, Abraxas, Agares, Agrat-Bat-Mahlat, Andromalius, Adramelech, Ahpuch, Astarte, Azazel …
Wir blicken uns um. Ah, da kommt der Großmeister auf uns zu. In einen scharlachroten Umhang gehüllt, so wie sich das auch gehört.
„Gelobt sei der Vater aller Lügen.“
„Ja. Gewiss. Der Gemeine Widersacher sei gebenedeiet. Der Engel Der Dunkelheit ist supie.“
„Supie? Meine Güte aber auch. Ihr seid als Beobachter hier?“
Ahrimann, Amon, Abdiel, Amezyarak, Arakiba, Armaros. Asasel, Asbeel, Aschmodai, Astarot, Baalberith, Balaam ...
„Ja. Der da oben verfolgt eure Aktivitäten mit großem Interesse und hat uns per Erleuchtung, quasi mit Hilfe einer Offenbarung aufgefordert, hier nach dem Rechten zu schauen. Mann, hat das gekitzelt. Nun gut, was liegt an? Was treibt ihr da gerade? Finster, finster?“
„Wir beschwören Satan. Ganz bestimmt wird es heute klappen.“
„Das hat doch noch nie geklappt. Was soll denn finster daran sein, wenn sich irgendwelche Phantasten unglaublich lächerlich machen?“
Baphomet, Bast, Beelzebub, Behemoth, Bael, Baraqel, Basasel, Bathin, Beleth, Belial, Berith, Bifrons …
„Wir wissen jetzt aber, was wir jahrelang falsch gemacht hatten. Ich wurde wohl erleuchtet, obwohl ich mir nicht sicher bin ob es in diesem Fall nicht vielleicht ‚erdunkelt’ lauten müsste. Die Theorie dahinter ist im Prinzip ist ganz einfach. Nur war die Umsetzung vor Erfindung des PCs unmöglich.“
„Und heute soll es endlich klappen? Erkläre mir mal die Theorie etwas genauer, mit welcher der Schänder aller Hoffnung, gedingsbumst sei sein Name, dich erdunkelte.“
„Einige der 666 Bezeichnungen des Fürsten der Finsternis können ihn beschwören, wenn man sie in der richtigen Reihenfolge ausspricht. Das hat was mit paranormalem Okkultismus und paranoider Zahlenmagie zu tun.“ Der Großmeister blickt nach unten und legt die Handrücken an einander. Das Antithetische in dieser Geste inversen Betens bleibt dem Eingeweihten nicht verborgen.
Beherit, Biloo, Chemosh, Cimeries, Calagon, Camino …
„Ach? 666 Namen hat der Höllenfürst?“
„Experten sind sich da nicht ganz einig. 616 sollen es nach neuerer Forschung der modernen Zahlenmystiker sein, aber wir halten uns an die Tradition.“
„Ah, und was stellt ihr mit 666 Namen an?“
„Meine Gemeinde bräuchte ca. 2 Stunden, um alle seine Namen angemessen ehrfürchtig runter zu brabbeln. Darum habe ich 24 Gruppen gebildet und das Ganze dauert nun nur noch 5 Minuten. Das ist aber für die Show, sozusagen bloß das akustisches Ambiente. Für die eigentliche Beschwörung habe ich die relevanten Namen Satans auf 15 Stück einschränken können. Der scharlachrote Umhang bläht sich ein wenig, als der Großmeister tief Luft holt und eine Stoppuhr aufklappt. „Los geht’s:
Anerziraphael,
Baron Samstag,
Destruktorius,
Hoffnungsschänder,
Höllendämon,
Kaputtokowsky,
Moloch,
Schattenfürst,
Sekhmet,
Shaitan,
Shiva,
Tezcatlipoca,
Weltenzerstörer,
Yen-Lo-Wang,
Erich Meier.
Bequem in 20 Sekunden zu schaffen.“ Der scharlachrote Umhang hält uns die Uhr entgegen. „Ich rechne aber vorsichtshalber mit 30 Sekunden bei Dauerrezitation…“
Dagon, Damballa, Demogorgon, Diabolus, Dracula ...
„Wie Bitte? Erich Meier?“
„… doch bei Computern sieht das Gott sei Da…, äh, sieht das bei Satans Hörnern, natürlich etwas anders aus! Warum nicht Erich Meier? Erstaunlich, was so ein Ding zustande bringt. Nur ein Wortprozessor und ein kleines Programm, keine 50 Zeilen lang.“
„Könnten wir das bitte etwas genauer haben? Für den Bericht. Erich Meier hört sich irgendwie nicht überzeugend dämonisch an.“
„Nun. Um 15 Elemente in unterschiedlicher Folge anzuordnen gibt es Fakultät 15 Möglichkeiten. Schreibt ihr auch mit? Also: Erich Meier ist Furcht einflößend! Klar? Das macht …“ Der Großmeister holte einen Zettel aus der Kutte. „ … genau 1.307.674.368.000!“
Emm-O, Ezequeel, Euronymous, Fenriz, Furfur, Gorko, Gadreel …
„Ja? Wirklich? Doch so viele? Ich finde Erich Meier hört sich kein bisschen nach Höllenfürst an.“
„Wahrlich! Bei meiner Seele, die dem Antichristen dient. Ihr wollt es doch ganz bestimmt ganz genau wissen. Oder? Also: Wenn es cirka 30 Sekunden braucht um 15 Namen auszusprechen, würde ein Mensch 1.243.982 Jahre brauchen - bei 24 Stunden täglich. Deswegen der Computer. Der rasselt uns sämtliche Permutationen in nur 18 Monaten runter. Das verursacht dieses Sirren aus den Lautsprechern. Das sind alles Seine Namen, nur rasend schnell ausgesprochen. Und Erich Meier ist genau richtig.“
Haborym, Hecate, Ishtar, Iblis, Jekon, Jetrel, Jomyael, Kali, Kasbeel, Kasdeya, Kokabeel, Lilith, …
„Und wie lange ist er jetzt dabei? Meinetwegen auch als Erich Meier.“
„17 Monate und 30 Tage. Er müsste heute damit fertig werden. Nein, der Computer heißt nicht Erich Meier. Der heißt Thusnelda-Eusabia.“
„Seltsame Namen habt ihr hier. Was passiert dann?“
„Dann ist hier die Hölle los.“ Der Großmeister grinst auf eine Art, die wunderbar zu seinem scharlachroten Umhang passt.
Loki,Luzifer, Malphas, Marbas, Mammon, Mania, Mantus, Marduk, Mastema …
„Was wollt ihr denn mit dieser verruchten Schlange der Niedertracht? Vorausgesetzt natürlich, er erscheint auch tatsächlich.“
„Wir wollen ihn beschwören.“
„Ja, ja, völlig klar, aber was dann? Wenn ihr ihn beschworen habt? Weltherrschaft? Das letzte Gefecht zwischen Gut und Böse? Ist es eigentlich normal, wenn hier alles an Farbe verliert und blass wird?“
Melektaus Mentos, Metztli, Mictian, Mitgard, Milcom ...
„Omen! Ich sage nur: Omen! Gepriesen sei das Böse aus den Kellern unter den Kellern.“
„Und warum fliegen hier auf einmal gelblich-grüne Raben herum? Und dann auch noch rückwärts? Und wo, verdammt, kommen plötzlich all diese Fliegen her?“
Moloch, Mormo, Naamah, Nergal, Nihasa, Necael, Nisroch …
„Das sind Omen! Er! - Gelobt sei Satan, kündigt sich an. Geheimnisvolle Zeichen, verstehst du?“
„Nein. Und muss das auch so sein?“
„Vermutlich. Er ist doch auch der januskeske Herr der Fliegen. Der Bildschirm flackert, obwohl gar nicht angeschlossen. Der gestürzte Engel ist offenbar unterwegs.“
Nija, O-Yama, Palaktos, Phut, Plhutho …
Ganz ohne jeden Zweifel. Der Boden vibriert und schwankt ein wenig probehalber, dann aber kommt er heftigst zur Sache und schüttelt er sich wie ein nasser Hund. Die Neophyten murmeln schneller, schriller und mit wachsenden Zweifeln, welche sich anschicken, harntreibendes Entsetzen hinter sich her zu ziehen. Ängstliche Blicke suchen den Großmeister. Sie hatten das Ganze doch eher als Spaß und Hobby gesehen und nicht wirklich ernsthaft mit Ergebnissen gerechnet.
Prospektorius, Purmiga, Ramiel, Rimmon, Sahriel, Sammael, Samsaveel, Satan, Satreel, Semjasa, Sabazios, Saitos … (Mit zunehmend zittrigen Stimmen)
Etwas nähert sich von unten. Könnte ein Güterzug sein, beladen mit siebenköpfigen Ziegen.
Sammael, Samnu, Sedith, Set …
Die Dinge in den Schatten gewinnen an Kontur, die Luft schmeckt, als ob sie in einer alten Socke gekocht wurde.
Supay,Tuan-Mo, Tchort, Thzamus, Thoth, Tundius, Typhon, Yaotzin, Yeterel, Zargan, Zakiel …
„Hört auf. Es ist vollbracht.“ Satans Major Domus auf Erden hebt die Arme und deutet auf den Bildschirm. Obwohl nicht angeschlossen leuchtet eine flammend rote Schrift auf: „Moment noch, ich erscheine gleich. Macht Platz!“
Die Jünger rennen hastig los. Die Doppeltür schließt sich mit einem unheilvollen Donnern. Hämisches Kichern spielt Badminton zwischen den Wänden. Und dann erscheint der Antichrist, die dunkle Macht, Luzifer. Der real existierende Teufel. Als eine sieben Meter große Manifestation im Flammenmantel steht er plötzlich da. Plopp! Eine beeindruckend elegante Erscheinung. Alles stimmt! Die auf Hochglanz polierten Hörner, die Hufe in maßgeschneiderten Schuhen, die sorgfältig gebürstete Schwanzquaste, der Geruch nach Schwefel und Verdammnis, der Dreizack…
Ein Barhocker erscheint aus dem Nichts, die Gestalt setzt sich, schnippt ein imaginäres Staubkorn von der Schulter und blickt seine entsetzten Anhängern amüsiert an.
„Nun? Da bin ich. Was wollt ihr von mir?“
Der Großmeister tritt vor. „Oh Zerstörer von Königreichen. Wir wollen dir dienen.“
„Warum? Die Hölle ist voll mit Seelen, die mir äußerst ergeben dienen, womöglich weil sie nicht schon wieder in den großen Kessel geschubst werden wollen. Wenn ihr keinen plausiblen Grund habt, mich zu beschwören, warum tut ihr es dann?“
„Macht! Gib uns Macht.“
„Was wollt ihr denn damit anstellen? Meine Macht ist die der destruktiven Art. Ihr würdet euch nur Weh tun.“
Der Großmeister blickt seine Gemeinde verwirrt an. Tatsächlich. Er hatte nie weiter gedacht, als bis hier hin. Er wollte Satan beschwören, das war als Ziel und Aufgabe völlig ausreichend gewesen. Nie hatte er sich überlegt, was er damit anstellen würde, wenn es denn klappen sollte.
„Kannst du nicht alle Gottesanhänger ausrotten?“
„Das wäre verdammt dicht am Egozid. Ich hänge nämlich auch an Ihm.“
„Gold?“
„Für Gold bin ich nicht zuständig. Da müsst ihr euch an die Dame Nebu wenden, die bewacht den Hort. Allerdings teilt sie nicht gerne – tja, anders kommt man wohl auch nicht an einen großen Haufen Gold. Wollt ihr Kuchen?“
„Kuchen? Du bist der Herrscher des Fegefeuers und bietest uns Kuchen an?“
„Mit Sahne. Ihr wisst ja nicht, was ihr wollt, also gibt es Kuchen.“
Es heißt: Wer mit dem Teufel Suppe isst, braucht einen langen Löffelstiel. Aber nirgendwo ist auch nur der kleinste Hinweis gegeben, wie man mit ihm ein gemeinsames Kuchenessen handhabt. Wir gucken uns die Bemühungen eine Weile an, aber als der Großmeister sich eine Serviette umbindet, wird es uns zu dumm und wir verlassen diesen Ort der lächerlichsten Teufelbeschwörung seit es Pudel gibt.
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Jetzt hab ich mich 666 mal vor Lachen am Kaffee verschluckt, danke, Karlchen!!
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Eine herrlich teuflische Geschichte, die beim Lesen so richtig Fahrt aufnimmt.
Hab dich wieder gern gelesen, Karl-Ludwig!
Jonny
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Bei meinem morgendlichen Zweiminutenbllick ins Forum, stieß ich auf dein Teufelswerk. Ausgedruckt führte ich es mir auf meinem Heimweg zu Gemüte und ließ mich von deinen Zeilen auf amüsante Weise unterhalten. Just heute ließ ich nämlich meine Zeitung auf dem Küchentisch liegen, so dass es mir während der Bahnfahrt an Lesefutter mangelte. Du hast mich gerettet. Danke Karlchen!
Liebe Lottegrüße
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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Ich fühle mich geschmeichelt. Dank an Euch. (Tänzelnd nach links ab, ungeschickt stolpernd in den Orchestergraben fallend)
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Große Klasse, Karl-Ludwig! Sehr gekonnt! Schaurig, lustig, teuflisch, gut!
Sirius
Reset the World!
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