Inselleben
Das Schiff ging unter. Es sank mit Mann und Katze, denn eine Maus gab es dank ihrer, nämlich der Katze Anwesenheit an Bord, schon lange nicht mehr.
Nachdem der Sturm abgeebbt war, das Meer sich beruhigt hatte, am Himmel das Kreuz des Südens erschien, konnte man ein Floß entdecken, auf dem eine buntgewürfelte Anzahl Überlebender sich selbst ob der wunderbaren Rettung beglückwünschte und manche von ihnen sogar ein kleines Dankgebet gen Himmel schickten.
Um den Mast des Floßes scharten sich zwei Amerikaner, zwei Chinesen, zwei Deutsche und zwei Russen, während backbords zwei Engländer, zwei Franzosen und steuerbords zwei Juden und zwei Australier krampfhaft versuchten, das Gleichgewicht zu halten.
Nach vielen vielen Stunden strandeten sie am Gestade einer Insel, die von heiteren Eingeborenen und pelzbewachsenen Ziegen und Schafen bevölkert war.
Wieder festen Boden unter den Füßen, entwickelten die Neuankömmlinge sofort ungeahnte Aktivitäten.
Von den beiden Franzosen verführte der eine die jüngere Tochter des Häuptlings, während der andere mir der älteren Tochter des Häuptlings zusammen ein erotisches Wörterbuch verfasste.
Von den beiden Deutschen stellte der eine an den schönstgelegenen Stellen der Insel Verbotsschilder auf, während der andere ein Büro eröffnete, wo er Lizenzen für Aspirin und Bier nach deutschem Reinheitsgebot anbot.
Schon bei Ankunft waren die pelzbewachsenen Schafe und Ziegen dem einen Australier aufgefallen. Er schor ihnen das Fell vom Körper und gründete die erste Wollbörse der Insel. Seinem Landsmann war es gelungen, zwei Rackets vorm Untergang zu retten, was ihn veranlasste, einen Tennisplatz anzulegen und zur ersten Insel-Tennis-Meisterschaft einzuladen.
Von den beiden Amerikaner entwickelte der eine sofort einen Plan, mittels Genmanipulation die Kokosnussernte des nächsten Jahres zu vervierfachen, während der andere sich daranmachte, mit Island-Cola groß einzusteigen.
Von den beiden Russen annektierte der eine sofort das Kartoffelfeld der Insulaner und brannte einen drittklassigen aber dafür hochprozentigen Wodka, während der andere Russe alle männlichen Eingeborenen einzog, und mit ihnen den Angriff mit begrenztem Ziel übte.
Auch bei den Chinesen setzte rege Betriebsamkeit ein. Während der eine sofort eine Wäscherei eröffnete, beschäftigte sich der andere damit, die Unternehmungen aller anderen zu kopieren.
Die beiden Juden arbeiteten im gleichen Metier. Der eine finanzierte die Unternehmungen der anderen, während sein Kamerad ihn selber rückversicherte.
Nur von den beiden Engländern hörte man nichts.
Sir Reginald Winterbottom und Colonel Allister Pomsnider standen die ganze Zeit still und stumm am Strand.
Man hatte vergessen, sie vorzustellen.
Was kostet die Welt - Ich nehm zwei.
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Wunderbar, Babs!
Ich symphatisiere mit den Engländern!
Tolle Idee - mir hat deine kleine Geschichte sehr gefallen...
Jonny
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Herrlich - und wie aus dem Leben gegriffen. Die Menschen sind ja so doof.
Und so bleiben die Engländer wohl am sympathischsten. Aber hätten sie handtücher gehabt, hätten sie sicher damit die ganze Insel ausgelegt. Zumindest bis der Tee kommt.
Sehr gelungen, Babs, und richtig lustig!
Sirius
Reset the World!
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