Wenn man um 26.00 Uhr spazieren geht, und zwar an einem Freitag dem 13.13. kann man davon ausgehen, dass es sich höchstwahrscheinlich um einen Traum handelt. Aber genau dieses Datum zeigte meine in China erworbene Atomuhr heute morgen an als ich erwachte. Deswegen wundert es mich kein bisschen, wenn ich eine leicht bekleidetet Frau anmutig und auf mich schwer erotisch wirkend über eine Wiese tanzend mit einem Schmetterlingsnetz wild herum gestikulieren sehe. Und das im Spätherbst bei Temperaturen, die nach Pelzmänteln, langen Unterhosen und drei Paar Strümpfen verlangen.
Nein, denke ich spontan, Hören diese Phänomene denn nie auf? Gestern rosa Elefanten hinter der Tapete, vorgestern ein Schwarzes Loch, welches aus Cern floh. Letzte Woche traf ich sogar Gott im Park. Warum nur immer ich?
Es entspricht ja nicht meiner bescheidenen Art, einfach so fremde Tanten anzuquatschen, besonders wenn diese nur ein Negligee der auf einfach phänomenaler Weise die Blöße noch deutlicher betonenden Art tragen. Meistens habe ich dann keine Zeit mehr, lange drum herum zu reden und schreite zur Tat. So auch diesmal: Ich entreiße ihr den Käscher, drehe ihn um und gebe ihn richtig gepolt zurück: „Der Griff ist am anderen Ende. So macht man das!“
„Toll. Danke und so.“ Zwei hübsche Dinger gucken mir interessiert in die Augen, welche sofort schamhaft nach unten blicken, nur um noch mehr Aufregung zu erfahren. Ich klopfe den Augen auf die feuchten Finger und blicke dem Mädchen nun konzentriert ins Gesicht, während die Libidodrüse ungefragt und völlig unpassend versucht, sich wieder an das Hexengebräu zu erinnern, welches sonst doch für existenzielle Erfahrungen sorgte. Mein Gott, diese Augen. Schnell suche ich nach den Ohren – die sind ja meistens keine Einladung, wie zum Beispiel dieser Mund, ach du meine Güte. Echt. Mitnehmen und ganz auspacken, was wohl kaum Zeit in Anspruch nehmen wird, so flüstert eine Stimme aus der Vergangenheit.
„Bitte verstehe mich nicht falsch, aber warum hoppelst Du in unmöglicher Bekleidung hier über die Wiesen und fuchtelst mit einem Schmetterlingsnetz herum. Komm, wir gehen zu mir, da hat es heißen Tee. Und mein letzter Damenbesuch hat bestimmt noch einige Kleidunsstücke da gelassen, könnten allerdings inzwischen etwas unmodern geworden sein.“
„Hast Du hier irgendwo ein rosiges Schemen mit schwachsinnigem Grinsen gesehen? Das ist mir entlaufen und soll zurück in die Büchse.“
Bevor ich mir über den Bedeutungsinhalt dieser Worte klar werden kann, raschelt es in den Büschen am Rand der Lichtung. Etwas Rosigleuchtendes, keine fünf Cm hoch, aber mit dickem Ende am Anfang versucht unbemerkt sich davon zu schlängeln. Lächerliches Bemühen, wenn man wie ein Chamäleon auf LSD leuchtet. Mit einem triumphierenden Aufschrei stürzt die Dame los, auch von hinten lecker anzusehen, wie ich gegen meine innerste Überzeugung feststellen muss, es folgen einige Momente von Ungewissheit, Flüchen, Gequieke und stroboskopiger Beleuchtung einer unbeschreiblichen Szene und im Anschluss kehrt sie schweratmend aber zufrieden wieder zu mir zurück: „Halte mal. Irgendwo hier müsste eine Büchse liegen.“
Misstrauisch beäuge ich das leicht zuckende Ding in meinen Händen. Etwas Flehendlicheres habe ich noch nie gesehen. Das Ding ist langgezogen, was bei einer Höhe von fünf Cm gar nicht so einfach ist, und besteht fast ausschließlich aus einem verzweifelt- ergebenen Gesicht.
Die Frau bückt sich, um eine Dose aufzuheben (ich brenne dieweil Löcher in die Luft) und stopft das erschlaffte Ding ohne weitere Fisimatenten hinein. Dann pfeift sie erstaunlich laut und einige finstere Gestalten kommen aus dem Dickicht, das bis gerade nicht da gewesen ist, und fallen vor der stolz aufgerichteten Frau, welche die Büchse mit beiden Händen hoch über ihren Kopf präsentiert, auf die Knie.
„Gelobt sei Pandora. Sie hat die entlaufene Hoffnung wieder eingefangen. Wir sind erneut nur unter uns.“ Krieg, Lüge, Hass, Hunger, Tod und Pest erheben sich geläutert.
Dann machen sie sich wieder an die Arbeit.
Zehn Weise können nicht einen Idioten ersetzen!
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Die Büchse der Pandora habe ich mir immer ganz anders vorgestellt. jetzt würde ich auch gerne eine haben wollen, nachdem ich weiß, wie sich die Geschichte richtig verhält.
Mir sagt ja sonst auch keiner was. Danke für diese tolle Satire, Karl Ludwig!
Sirius
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