Es war einmal einer namens Klutwich, genannt das Steppenhörnchen. Er ging auf zwei Beinen, trug Kleider und war ein Mensch, aber eigentlich war er doch eben eine Art Hamster ...
Das Wetter ist ja beileibe nicht so, dass man Freudenfandango tanzen könnte: Einerseits für die Jahreszeit zu warm, andererseits weht ein kühl-, schneidender Wind.
Missmutig schaut einer aus dem Fenster: Mal Wolken, mal Sonne, mal Regen, mal Graupel. Ist doch Mist …
… und was ist das da? Kristallines Grün und wackelt im Wind? Da, in dem Baum dort. Seht nur. Eine Plastikverpackung?
Kristallines Grün steht für kühl. Vielleicht.
Klutwich stolpert in einen Regenmantel und versucht für die Wertstofftonne zu retten. Das beweist doch jedem Leser dieses innere Steppenhörnchen.
Jetzt bewegt sich das Grün vorwärts. Gegen! Den! Sturm! Verblüfft bleibt Klutwich auf Abstand stehen und schaut genauer. … und nun wieder mit dem Wind. Und entgegen. Und mit. Und einige Zentimeter weiter das Gleiche nochmal. So bewegt sich DasIstDochNiemalsEinePlastiktüte langsam den Ast entlang. Ein Auge starrt ihn durchdringend an, das andere mustert den zurückgelegten Weg.
Plötzlich fängt das Dingsbums an zu reden. Und zwar auf farbig. Und Klutwich versteht. Der Volkshochschulkursus in Buntlehre, Couleur-dialoge macht sich bezahlt, obwohl der doch umsonst war. Er selber weiß gar nicht mehr, warum er diesen belegte, aber nun kommt er ihm zu Gute.
„Mir ist kalt (knallgrüner Hintergrund und knallgelbe schlierige Flecken)! Bringe mich bitte ins Warme (knallgrüner Hintergrund wird zu knallrotem Flackern)!“
Ich suche nach einer Farbmustertabelle, finde zufällig eine in den Manteltaschen, teile dem bibbernden Chamäleon meine entgegenkommende Bereitschaft mit, hebe es vorsichtig aus dem Baum und trage das Tier in die Stube. Sofort klettert es auf die Heizung, obwohl 'sofort' nach 29 Minuten vermutlich seinen Bedeutungsinhalt verliert. Während dessen plappert es unentwegt wie ein Stroboskop auf Koks in Leuchtfarben:
„Der letzte Sommer war so heiß, dass ich dachte, ich könne in Freiheit besser leben (knallblau mit knallbraunen Rhomben)! Ich flüchtete aus dem ödesten Terrarium (knallschwarz!) der Welt und begab mich auf Abenteuerreise (knallmalve!). Leider wusste ich nichts von dem Winter hier (knallweiß!). Und der soll angeblich noch recht milde sein (Knalldurchsichtig farblos!).“
„Du bist doch knallblöde! Und rede etwas leiser. Gedeckte Farben, sanfte Übergänge, viel Sfumato und so …“
„Ich will zurück in den Dschungel (Farbschleier bunt).“
„Da willst Du bestimmt nicht hin. Dort herrscht Kettensägenmassaker an allen Enden.“
„(trotziges Infrarot)!“
So unterhalten wir uns über die Welt, den Sinn und vor allem den Unsinn. Meistens in Rotzkadmiumgelb mit kleinen Fransen dran. Ihren Artenschutz nutzt Khamelia schamlos aus, indem sie mit unbewiesenen Behauptungen aufwartet: Leute wie ich wären an ihrem Untergang schuld. Anklagendes Blaulicht wie Polizeisirene und erstaunlich koordinierte Blicke auf mein Mahagonikawumm.
Meine … äh, ja, genau die, meint nur, ich solle nicht immer so viel spinnen als ich ihr davon erzähle. Dabei hat sie doch selber etwas Mascarpone aufgelegt, was ich aber nicht übersetzen möchte.
Auf Chamäleonisch bedeutet das nämlich etwas richtig Unanständiges.
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Früher (?) gab es eine Bindensorte (gedeckt-bleich), die hieß Camelia, weiß nicht (hellschwarz), ob es die noch gibt.
Ich kann mein ferkelblondes Haar im Wind riechen (dezent gräsig) und schmecke gern Malve (rosa).
Die Schokolade (Knoblauch-Nuss) stimmig kackbraun, ein Hauch von sojalind im Geschmacksdarm spürbar. Beim Aufstossen leicht popelgrün.
Klutwich (reimt sich seltsamerweise auf Ludwig) ist vom Fach, das riecht und schmeckt man gleich (hauchzart angebrannt mit einem Flair Ölsardine im Abgang).
Das Steppenhörnchen (12-15 Minuten bei 180 Grad, nach acht Minuten bitte wenden!) erinnert ein wenig vom Namen her an Aufbackbrötchen (crossover), farblich passend zur Mocca-Tapete.
Ich liebe diese gekonnten Arrangements, diese Obzessionen digitaler Farbkunst, abseits vom täglichen indigo, parmesan, mint und zungenrosa. Die lyrische Anrichte ist gelungen und erschlägt den in die Falle tappenden Leser spontan (aschgrau).
Mir haben die Farb- und Geschmacks-Leckerlis gut getan, Karl-Ludwig, und hoffe, es geht dir gut.
Sirius (rötlich verlegen bis kumpelhaft blau anlaufend)
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Ihr übertrefft euch mal wieder selbst, Jungs! Ich habe beim Lesen laut gelacht.
Bitte mehr davon!
Schenke der Welt mein Lächeln,
morgen lächelt sie zurück.
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Danke und so. Aber könnt Ihr Euch vorstellen, was passierte, als ich Camelia in ein Terrarium setzte, von wo aus sie die Krake im Aquarium beobachten konnte und umgekehrt?
Krakisch und Chamäleonisch sind so unterschiedlich wie Blindenschrift und Bayrisch. Folge: Krieg der Farben! Kaputte Glaskästen, Stampede der 2D-Elefanten hinter der Tapete, blutgrüne Flecken an der Wand, und ein neonbunter Lärm bis hin zum Retinakollaps. Einfach schrecklich.
Übr.: Klutwich hat den ersten Satz vom 'Steppenwolf' als 'Opener' benutzt. Wem ist das aufgefallen?
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Einige Synästhetiker können Farben schmecken und Töne riechen. Das muss echt witzig sein: Wie gefällt Dir mein neues Rock'N'Roll-Solo?
Schmeckt nach Pfeffer mit Honig.
Und die Makrele? (Die Makrele ist wohl ein 'Runnig Gag'. Muss ja nicht immer hinhauen.)
Hört sich quitschig an.
Ach du meine Güte. Daraus lässt sich bestimmt eine Geschichte stricken: Als sich meine Neuronen und Dendriten in Makramee versuchten.
... oder haben die etwa schon?
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Übr.: Klutwich hat den ersten Satz vom 'Steppenwolf' als 'Opener' benutzt. Wem ist das aufgefallen?
Mir nicht. Aber ich bin entschuldigt: ich bin alt und vergesslich, und ich lese in letzter Zeit nur Mahnbescheide.
Gut, dass Synästhetiker keine anderen Sorgen haben, zum Beispiel meine. Farben schmecken, Töne riechen ist wirklich toll, ich kann nur Brot essen, und da interessiert mich nur die Farbe, wie es wieder raus kommt.
Aber tolle Geschichten sind da sicher drin, ich wünsche dir viele bunte Ideen!
Sirius
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