Seit über 20 Jahren arbeitete er im 'Large Hadron Collider', formte Keile aus experimentell- purer Logik, rammte sie in die physikalischen Spalten und erweiterte mit Kant'scher transzendentalphilosophischer Vernunft die Risse, nur um dem Universum alle Geheimnisse zu entreißen. Er ließ Elementarpartikel kollidieren, zauberte aus Elektronen und Positronen Antiteilchen – und zweifelte. Es gibt Wahrheiten die sich hinter Lügen verstecken und manchmal verstecken sie sich sogar hinter den Wahrheiten.
Zweifel sind eine Berufskrankheit von Forschern. Ernsthafte Wissenschaftler müssen einfach zweifeln, weil sie doch so gerne Bescheid wüssten.
Burnout! Es war weniger die im Ringbeschleuniger zerpflückte Materie, als die untrennbar damit verbandelte Zeit. Die bereitete ihm Kopfschmerzen, welche keine Akupunktur zu heilen vermochte.
Und so nahm er eine Auszeit und suchte nach einem anderen Zugang zu dem mysteriösen Mysterium der Zeit. Logik kann auch ziemlich lästig sein, wenn es um den Seelenfrieden geht. Der steht nämlich und bekannter Maßen über dem Verstand. Oder dahinter. Oder daneben. Keiner weiß nichts Genaueres, ja, bis auf den weisen Mann unter dem Banjabaum.
„Was ist Zeit?“
„Illusion.“
„Bitte keine Schubladenantworten. Ich bin schon etwas weiter mit meinen Überlegungen. Ich habe sie gesehen. Sie ist blau.“
„Rosa!“
„Nur von außen. Innen ist sie Blau. Ich habe sie in die Mangel genommen, gestaucht und in kleine Brocken zerlegt. Jedes Mal, wenn es knallte, entstand eine Portion Antizeit, aber was nutzte es? Ich verstehe noch nicht einmal den Begriff 'Moment'. Denn ich weiß nicht, was 'Dauer' bedeutet. Und mit der 'Ewigkeit' habe ich auch so meine Probleme. Was sagen denn ihr weisen Männer mit den Hygieneeigenschaften von Iltissen darüber aus?“
„Metapher, Gleichnisse und so. 'Illusion' zu sagen geht schneller. Also: Am Ende des Universums …“
„Welches Ende?“
„Ist doch egal. Ist Metonymie. Also, dort befindet sich der Ozean der Zeit …“
„Wie? Frei schwebend? Ich kenne mich da aus. Zu einem Ozean gehört auch ein Planet.“
„Synekdoche! Ein bildlicher Vergleich!“
„Konkret bildlich?“
„Hör zu. Alle tausend Jahre kommt ein Schöpfer vorbei und … , na? Genau. Schöpft einen Teelöffel Zeit aus dem Ozean …“
„Immer der selbe Schöpfer?“
„Ja-ja. Mann, hör' doch mal auf dazwischen zu quatschen! Diesen Teelöffel voller Zeit trinkt er aus.“
„Der Löffel ist doch inzwischen verrostet. Der holt sich doch eine Blutvergiftung. Oder? Ich hoffe nur, der Schöpfer hat mehrere Teelöffel.“
„Oh Mann! Dann verschwindet er wieder. Und tausend Jahre später geht …“
„… humpelt …“
„Meinetwegen … er wieder vorbei und wenn der ganze Ozean leer geschöpft ist, ist erst eine Sekunde der Ewigkeit vergangen.“
„Wau! Das erklärt Vieles. Eigentlich Alles!“
„Übersehe nicht die erwartungsvolle Bettelschale. Du kennst nun die Hintergründe. Nur Scheine. O.K.?“
Und so kehrte der Forscher wie geläutert nach Cern zurück und fuhr fort damit dem Universum seine Geheimnisse zu entreißen, egal ob es diesem nun gefiel oder nicht. Auf die verwunderten Blicke seiner Kollegen wegen dem kleinen Löffels, den er seitdem an einer Kette um den Hals trug, antwortete er nur mit dem kryptischen Lächeln des eingeweiht Entrückten.
Zehn Weise können nicht einen Idioten ersetzen!
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Malven schmecken rosa, Zeit ist von außen rosa, und Prosa von Reinhaun meint, wir verkommen noch zu einem Bildungsforum. Und das in diesen doofen Zeiten - und zwar ohne Löffel, den haben wir längst abgegeben.
Interessant ist deine intellektuelle und wissenschaftliche Wortwahl und die Kunst, darüber zu philosophieren, was machbar ist, wenn man dann genug Fantasie hast. Und der Humor ist immer dabei, das gefällt allen.
Mir gefällt wieder der ganze Text, die Sache mit dem Meer auslöffeln ist wunderschön.
Sirius
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