„Geschafft!“ Sie ließ sich in den Sessel fallen, der ihre 110 Kilogramm mit einem leisen Ächzen quittierte. „Ich habe es tatsächlich geschafft,“ rief sie nicht ohne erkennbaren Stolz in ihrer sonst eher brüchigen Altstimme. „Wer hätte das gedacht? Das hat mir keiner zugetraut, noch nicht einmal ich mir selber,“ musste sie sich eingestehen. Sie griff zu dem Sektkelch, der auf dem kleinen Holztisch aus Mahagoni neben ihr stand und prostete ihrem Spiegelbild zu. Heute war ein Tag, an dem sie aufs Ganze gehen konnte, heute waren alle Gesetze außer Kraft gesetzt. Sie hatte es geschafft – sie hatte sich aufgerafft, obwohl zwischen ihrer Angst und ihrem Mut eine Riesenlücke klaffte, die sie nicht zu überwinden wagte. Bis heute. Heute war Yngvilds großer Tag! Sie zündete sich eine Hoyo de Monterrey an und paffte Kringel aus Rauch in die Luft.
Seit Jahrzehnten hatte sie sich diesen einen Moment ausgemalt. Hatte über Waffen nachgedacht und andere perfide Strategien, hatte diese Gedanken wieder verworfen und stattdessen darüber sinniert, wie sehr sie ihre Kräfte zusammenraffen müsste, um an ihr Ziel zu gelangen.
„Geschafft!“ Das breite Grinsen wich nicht mehr aus ihrem Gesicht. Es war das H1N1 -Virus, das ihn dahingerafft hatte. Vom Stamme A/CA/4/09. Sie hatte gar nichts machen müssen. Nur Warten. Und das hatte sie geschafft. Ein einziges Mal in ihrem Leben hatte sie die Geduld aufgebracht, nicht zu handeln, sondern zu warten. Bis das Virus seinen Job erledigt hatte. Und ihr Leben beginnen konnte.
Zwei Stunden später:
Sie schraubte die Kappe auf ihren schwarzen Füllfederhalter, legte ihn beiseite, klappte ihr Buch zu, blickte auf das Bild mit der Tassenparade, das ihr ihre beste Freundin Ragnar vor zehn Jahren zum sechzigsten Geburtstag geschenkt hatte. Und war trunken vor Glück.
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Also: Yngvild -den Namen kannte ich noch nicht.
Hoyo de Monterrey - was zu rauchen und ich kenne es nicht? Unglaublich!
Und ein Kurzkrimi vom Frollein? Mal was ganz anderes, aber fein gemacht!
Sirius
Reset the World!
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Lieber Sirius,
Eigentlich gehört zu der Geschichte noch das Foto von der Tassenpatade, ich wusste nur nicht wie ich es hochladen kann...
Vielen Dank fürs Lesen dieser kleinen Geschichten!
Beste Grüße!!
Frollein a.
Und mir gefiel der Gegensatz so gut zwischen Yngvilds Namen und den cubanischen Zigarren
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