Jessie Greengrass: Und dann verschwand die Zeit
Jessie Greengrass malt in ihrem neuen Roman "Und dann verschwand die Zeit" das Bild einer drohenden Zeit, in der nichts mehr funktioniert und Überleben nur versteckt, hauptsächlich als Selbstversorger möglich wäre.
von Annemarie Stoltenberg
Die Britin Jessie Greengrass hat für diese Geschichte einen ganz eigenen Erzählton gefunden. Es klingt nach Sitzen vor dem Kamin, einer beruhigenden, wärmenden Tasse Tee und Geduld zum gegenseitigen Zuhören. Denn diese Geschichte ist aus mehreren Blickwinkeln erzählt.
Wir haben es mit einer überschaubar kleinen Gruppe an Hauptfiguren zu tun: Sally und Grandy stammen aus einem kleinen Ort an der Küste. Sie wurden gebeten, sich um das High House zu kümmern. "The High House" ist auch der Titel des Originals, das von Andrea O'Brien hervorragend aus dem Englischen übersetzt wurde. Zu diesem Anwesen High House kommen dann Caro und Pauly. Caro wurde von ihrer Stiefmutter - Paulys Mutter - beauftragt, hierher zu flüchten, wenn etwas passiert. Francesca, die zweite Frau ihres Vaters, reiste als Wissenschaftlerin durch die ganze Welt, um vor der Klimakatastrophe zu warnen. Bei einem heftigen Sturm kommen sie und der Vater von Caro und Pauly ums Leben. Caro kümmert sich nun um ihren Halbbruder, der bald feststellt:
An meine Mutter erinnere ich mich überhaupt nicht mehr.
Francesca hatte High House von einem Onkel geerbt und viel Zeit und Mühe darauf verwendet, dieses Anwesen für schwere Zeiten vorzubereiten. Durch ein Gezeitenbecken, das sich bei jeder Flut mit Wasser füllt und dann wieder abläuft, kann Strom erzeugt werden. Es gibt einen Gemüsegarten und eine Scheune, die Francesca mit Vorräten aller Art bis unter das Dach gefüllt hat. Und vor allem konnte sie den pensionierten Pastor der Nachbargemeinde und seine Enkeltochter überreden, hier die Hauswirtschaft zu übernehmen. Grandy hat alles Wissen von früher im Kopf. Wie man Korn mahlt, Brot backt, Gemüse zieht, Obstbäume schneidet und welche Nahrungsmittel aus den Wiesen und dem Meer genießbar sind. Er ist ein besonderer Mann.
Eine Anekdote von ihm und Sally erzählt, wie Sally als Kind mal einen Koffer gepackt hatte und von zu Hause fortgelaufen war. Sie versteckte sich in einer Mulde am Strand und wurde, als ihr Trotz schon lange verpufft war, endlich von Grandy gefunden:
Da bist du, sagte er, nahm mich auf den Arm und trug mich heim, den Koffer an zwei gekrümmten Fingern, ich schmiegte den Kopf an seine Schulter, und wir schwankten bei jedem Schritt. Grandy, sagte ich - ich bin weggelaufen. Ja, Sal, Liebes. Ich weiß. Zu Hause steckte Grandy mich in die Badewanne, dann ins Bett.
Er schimpft nicht, keine Vorwürfe.
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