Die Münchner bangen um ihre Wohnungen
Gentrifizierung, Aufwertung, Mieterhöhung: Die Wohnangst in München hat längst auch diejenigen erfasst, die eigentlich eine Wohnung haben. Die Stadt darf diesen Irrsinn nicht akzeptieren.
Von Kassian Stroh
Die Buchstaben haben sie wegzuwischen versucht, im Gedächtnis ist der Satz geblieben: "Und wer schützt mein Nichts vor Eurem Eigentum?" In Großbuchstaben, an der Wand des Rewe-Markts mitten im alten Agfa-Gelände, das längst mit vielen teuren Wohnungen bebaut ist. Kann ein Habenichts überhaupt noch etwas verlieren, noch weniger haben als nichts? Muss er Angst haben, vor den Eigentümern, den Investoren?
Giesing ist voll von Sprüchen wie diesem, "Aufwertung abfucken" ist der häufigste und markanteste, er kommt etwas martialischer daher, weniger nachdenklich. "Mieten runter" ist auch zu lesen, die Botschaft ist so eindeutig wie schlicht. Aufwertung, Mieterhöhung, Gentrifizierung, Vertreibung - Schlagworte das alles, die wütend machen und noch mehr Münchnern Angst. Nicht nur in Giesing.
In München war Wohnungsnot schon immer ein Thema, die Mieten waren höher als anderswo, die Suche nach einer Bleibe war aufwendiger. Wobei: Der Begriff Wohnungssuche trifft es ja gar nicht mehr, man bewirbt sich heute - mit aufwendigen Mappen, Bonitätsnachweisen, Lügen gar. Doch München hat nun zehn Jahre hinter sich, in denen der gewohnte Mangel irrsinnige Dimensionen angenommen hat. Eine Million Euro für eine 100-Quadratmeter-Wohnung in der Innenstadt sind keine Seltenheit mehr - die Kaufpreise sind in die Höhe geschnellt und mit etwas Verzögerung und nicht ganz so krass die Mieten. Bei Neuvermietungen.
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