Nachts schreiben, um am Tag nicht verloren zu gehen
Gedanken zu Literatur und Selbsterfahrung. Von Arne Rautenberg
Ganz bei mir bleiben. In meinen Texten, in meinem Vortrag. Ich bin Lyriker, ich schreibe Gedichte und keine Romane. Das heißt, ich muss mir nicht täglich eine Seite Prosa rausquälen (wie ich es auch schon getan habe), sondern darf sprunghaft und phlegmatisch sein, einfach dahinleben und mir eine gewisse Zeitoase zur schreibenden Besinnung einräumen.
Dies ist meinen momentanen Lebensumständen geschuldet. Ich bin Nachtarbeiter geworden. Noch vor eineinhalb Jahrzehnten ging ich vom Bett aus direkt an den Schreibtisch und erledigte mein Schreibwerk, noch saumselig aus der Nacht heraus, frisch und ungefiltert konnte ich den erwachenden Gedanken nachgehen, ihnen hinterherschreiben, sie zu fassen kriegen und en passant auch größere Prosastrecken bewältigen.
Das ist vorbei. Wir haben zwei Kinder, ein bis an die Knochen gehender, hochfrequenter Ton piept um 6:30 Uhr, dann heißt es, aufstehen, anziehen, Weckdienste an den Kindern vollziehen, aufdecken, Brote schmieren, Minimal-Konversationen am Laufen halten bzw. ertragen, Zeitung lesen – und wenn die Kinder in die Schule radeln, sind die den Geist erweckenden Akkus bereits halbleer.
Also erledige ich am Morgen die Schreibarbeiten, in denen der Hauch der Inspiration kleingeschrieben ist: Mails, Briefe, Überarbeitungen, Zugfahrten buchen, Grübeleien über anstehende Grundsätzlichkeiten neuer Projekte, Sortierarbeiten, Recherchen, Telefonate, Aufsätze, Lektüren.
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