Familiäres Kaleidoskop: „Der größte Spaß, den wir je hatten“
Auch glückliche Familien haben ihre Geheimnisse: Jene der Sorensons erkundet Claire Lombardo in ihrem gelobten Debüt leichtfüßig, aber nicht trivial.
Alle glücklichen Familien gleichen einander, jede unglückliche Familie ist auf ihre eigene Weise unglücklich“, schrieb Tolstoi im berühmten ersten Satz von „Anna Karenina“. Nach dieser Lektüre müsste man darüber noch einmal nachdenken. Denn auch glückliche Familien produzieren unglückliche Kinder – auf welche Weise das bei den Sorensons passiert, ergründet Claire Lombardo in ihrem gefeierten Romandebüt.
Marilyn und David Sorenson, er Arzt, sie freiwillig zu Hause, sind seit 40 Jahren verheiratet, haben vier Töchter, die jüngste ein Nachzügler, und führen eine Vorzeigeehe, wobei das eigentlich das falsche Wort ist: Die beiden lieben sich wirklich und setzen damit erstens die Latte für ihre Kinder ziemlich hoch – und können auch nur bedingt beeinflussen, wie sie sich entwickeln und womit sie kämpfen werden müssen.
Da ist die Älteste, Wendy, spitzzüngig, dem Rotwein zugeneigt und reich verwitwet. Da ist Violet, die Juristin, die ihren Ehrgeiz aus dem Job auf ihr Familienleben überträgt. Liza mit der Unikarriere, die von ihrem depressiven Freund schwanger wird. Die einsame Grace, die so gar nicht weiß, was sie mit sich anfangen soll. Und dann taucht Jonah auf, den Violet zur Adoption freigegeben hat. Zwischen allen wechselt Lombardo derart die Perspektiven, dass man sich wundert, dass die in Iowa lebende Autorin erst 30 ist. 720 Seiten sind ehrgeizig, aber Lombardo schafft es über weite Teile, den Umfang zu rechtfertigen.
Claire Lombardo: „Der größte Spaß, den wir je hatten“, übersetzt von Sylvia Spatz, dtv, 720 Seiten, 25,70 Euro
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