Doron Rabinovici: Liebeskrank
Der österreichische Schriftsteller hat in der Corona-Zeit begonnen, kleine Erzählungen zu schreiben – und liest sie seinem Publikum auch vor
In seine Schwester hatte er sich verliebt. Ausgerechnet. Die Art, wie sie ins Zimmer kam. Dann jenes Lächeln, als schaue sie durch ihn hinweg an einen Punkt weit hinter ihm. Diese Entschiedenheit. Das Strahlen um sie. Ein Lächeln wie gemalt. So leichthin und unverdrossen. Wie sie die Jalousien hochzog.
Der Duft von Frische, wenn sie sich über ihn beugte. Sanft, sacht, lind und leise. Ihr Haar, das ihn zuweilen an der Wange streifte. Ihre bloßen Füße in den Holzpantoffeln, mit denen sie umherging, als trage sie Stöckelschuhe.
Er wagte es nicht, irgendjemandem davon zu erzählen. Nicht einmal seinen Freunden oder Kollegen. Auch nicht seiner Frau, wobei er immerzu fürchtete, sie sehe es ihm ohnehin an. Wieso bemerkte keiner, wie er rot anlief, sobald die Schwester den Raum betrat, um etwa das Essen zu bringen?
Aber niemand ahnte, wie es in ihm aussah und am allerwenigsten sie, die eine, die, wenn sie ihn wusch und seinen Verband wechselte, kein Wort darüber verlor, wie das Piepsen des Monitors an Tempo gewann und die Kurven zackig hochschnellten, weil sein Herz schneller schlug, wenn sie nur da war. Sie blickte über all das hinweg, wenn sein Gesicht rot aufflammte, sobald sie ihn einsalbte.
Die anderen Krankenschwestern und die Medizinerinnen bedeuteten ihm nicht viel. Selbst den Namen der Oberärztin, die seine Behandlung durchführte, vergaß er immer wieder. Aber an die eine, an Schwester Mathilda, dachte er unentwegt; und während andere Kranke so schnell wie möglich gesund werden wollten, genoss er die Zeit, die er in ihrer Obhut verbringen durfte.
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